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Unter dem Safranmond

Unter dem Safranmond

Titel: Unter dem Safranmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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schoss durch sie hindurch, die ihr den Schweiß aus allen Poren hervortrieb. Keine Hitze, die damit zusammenhing, dass sich die Wolken in plötzlicher Hast über der Stadt zusammenballten, sich wie der Deckel eines Kochtopfes über den Krater schoben, den Gluthauch der Luft verdichteten und mit ihrem Regendampf zu einer unerträglichen Schwüle aufsiedeten, sondern eine Hitze der Verlegenheit und Anstrengung. Denn eine der härtesten Lektionen, die Aden bislang für Maya bereitgehalten hatte, war, dass sie zwar die arabischen Schriftzeichen lesen und übersetzen konnte, aber mit dem Verstehen und Verständlichmachen noch erhebliche Schwierigkeiten hatte. Erst allmählich bekam sie ein Gehör für die Laute, zeigte sich ihre Zunge willig, sie zu formen, und noch immer war sie oft verwirrt, wenn sie das gleiche Wort in unterschiedlicher Aussprache hörte, je nachdem, ob der Sprecher hier aus dem Süden stammte, weiter aus dem Norden oder aus einer ganz anderen Ecke Arabiens.
    » Chamsa , fünf«, erwiderte der Mann und verbreiterte sein Lächeln. Maya zögerte kurz, unsicher, ob er fünf indische Rupien meinte, die gängige Währung Adens, neben der aber genauso in englischen Pfund gehandelt wurde, in persischen alten Rial, neueren Qiran und Toman; und auch mit den noch aus den Zeiten des Levante-Handels etablierten Maria-Theresia-Talern wurde gezahlt, die auf Arabisch so märchenhafte Namen wie Abu Kush und Abu Nuqta , »Vater des Vogels« und »Vater der Perle«,trugen. Und sie überlegte, ob sie auch hier feilschen sollte, wie es Brauch war, und ob fünf Rupien für dieses Stück Melone viel oder wenig waren. Die Preise in Aden waren sehr unterschiedlich: Kleidung beispielsweise war billig, manches an Obst und Gemüse allerdings im Verhältnis dazu recht teuer. Angebot und Preis wechselten beinahe täglich, und bislang hatte Maya noch kein verlässliches Schema darin erkennen können. Schließlich angelte sie einfach in ihren perlenbestickten Stoffbeutel hinein, den sie auf einem ihrer Streifzüge durch die Stadt erstanden hatte, und streckte dem Händler die abgezählten Münzen hin. Erschrocken zuckte sie zusammen, als sich eine gebräunte, auffallend schlanke Männerhand auf die ihre legte und sie sachte hinabdrückte.
    Stumm und erstarrt sah Maya zu, wie Richard Francis Burton, in braunen Hosen und weit geöffnetem Hemd, einen fleckigen, zerdrückten Panamahut auf dem dunklen Haupt, sich in rasend schnellem Arabisch einen Wortwechsel mit dem Händler lieferte. Mit dem Ergebnis, dass Letzterer schließlich mit gramvoller Miene wegen des entgangen Zusatzgewinnes, aber begeistert funkelnden Augen ob der wahrlich arabischen Geschäftstüchtigkeit des Fremden ein viel größeres Stück Melone in die Hand nahm und es gegen die zwei Münzen tauschte, die Richard aus seiner Hosentasche gezogen hatte. Unwillkürlich wanderte Mayas linke Hand, deren Goldschmuck am Ringfinger sie als verheiratete Frau auswies, hinter ihren Rücken. Mit zufriedenem Gesichtsausdruck und einer leichten Verbeugung reichte Richard Gita das Stück Melone, die es mit beiden Händen entgegennahm, und unter Richards eindringlichen Blicken senkte Maya den Kopf. Sie fühlte sich grauenhaft in ihrem angeschmutzten Kleid, unter dem Monstrum von breitkrempigem Strohhut, dessen Bindebänder verschlissen und schweißfleckig waren, mit den Haarsträhnen, die sich gelöst hatten, sich feucht um ihre Schläfen kringelten und daran festklebten.
    »Auch wenn dies der letzte Ort ist, an dem ich dich je vermutet hätte – ich freue mich, dass das Schicksal uns hier wieder zusammenführt«, sagte Richard schließlich, und es wurde Maya weh und warm ums Herz.
    »Was führt dich denn hierher?«, wollte sie wissen und erschrak über ihren eigenen harschen Tonfall. Und doch entsprang er ganz ihrem Gefühl, Richard als eine Art Eindringling in ihre Welt zu empfinden.
    Den Kopf in den Nacken gelegt, lachte er laut heraus. »Du musst zugeben, dass deine Anwesenheit hier überraschender ist als meine!« Sein Oberlippenbart zuckte amüsiert. »Ich schlage hier meine kostbare Zeit tot, während ich auf die Genehmigung meiner Expedition nach Somalia durch die Direktoren der East India Company warte. Die Royal Geographic Society war von meinem Aufsatz über die haj so angetan, dass sie mir Gelder bewilligt hat, genauso wie die Verwaltung in Bombay – von der bekomme ich sogar eintausend Pfund! Nur das entscheidende Dokument fehlt eben noch … Immerhin kann ich hier schon

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