Unter dem Safranmond
Gewissheit, dass ihnen die Garnison die Tyrannei einer erneuten osmanischen Herrschaft vom Leib halten würde.
Maya betrachtete gerne die indischen Häuser, wie kleine Festungen erbaut und doch mit zarten Verzierungen ausgeschmückt, ebenso weiß leuchtend wie die arabischen Kalksteinhäuser mit filigran durchbrochenen Erkern aus geschnitztem Holz. Viele neue Häuser gab es, niedrig und würfelförmig, meist weiß, oftmals aber auch in einem matten Rot gestrichen, deren vorderer Raum einen Laden beherbergte, während in den hinteren Räumen die Familie lebte. Kaffeehäuser, in den die Männer saßen, den Mokka tranken, dem die alte Küstenstadt im Westen ihren Namen gegeben hatte, Tee mit viel Milch nach indischer Sitte von der Untertasse schlürften und Wasserpfeife rauchten. Und immer wieder die sichtbaren Bemühungen, doch einen kleinen Grünstreifen links und rechts vor dem Vertrocknen zu bewahren.
Meist vergeblich, denn auch heute brannte die Sonne wieder auf die ungeschützte, weite Straße hinunter; die Wolkenwand hinter dem Rand des Kraters schien es einmal mehr nicht eilig zu haben, Aden ihre Gunst zu gewähren. Ziellos ließ sich Maya durch die Straßen treiben. Wasserkarren rumpelten vorbei: ein einfaches hölzernes Fass auf Rädern, mithilfe eines Gestänges ein Dromedar als Zugtier davorgespannt. Auf einer Straßenkreuzung führten Arbeiter ein Kamel im Kreis herum, das eine Art einfachen Zirkel hinter sich herzog: am Anfangspunkt im Boden verankert, am Ende mit einem steinernen Rad versehen, das in der eingegrabenen kreisförmigen Rinne Kalk für den Hausbau zermahlte. An der nächsten Ecke boten Beduinen Kamele feil, langbeinige Tiere mit hellem Fell zwischen beige und karamell. Die Beduinen selbst, schlank und hochgewachsen, wirkten wie aus Lehm geformt, als seien sie direkte Nachfahren Adams, von des Schöpfers Händen aus dem Boden des Landes geknetet und unter Sonne, Wind und Sand verwittert. Maya waren sie immer unheimlich, trotz ihrer farbenprächtigen Kleidung – lange, voluminöse Gewänder in Weiß, Rot, Blau, mit kunstvollen Stickereien und eingewebten Bordüren, oftmals leichte Mäntel darüber und bunte Tücher zum Turban geschlungen, deren lose herabhängendes Ende zum Schutz gegen Staub und Sonnenglut vor Mund und Nase gezogen werden konnte. Fremd wirkten sie hier, obwohl doch in diesem Land zuhause, unnahbar, wie Wanderer zwischen den Welten.
Um einer vorbeizuckelnden Kamelkarawane Platz zu machen, die Tiere mit Säcken hoch beladen und begleitet von mit Schwertern und Gewehren bewaffneten Reitern zu Pferd, musste Maya am Straßenrand, an einem Stand, an dem Knoblauchknollen und glänzend rote Pfefferschoten angeboten wurden, kurz haltmachen. Verstohlen tauchte sie im Schutz ihrer Röcke die Finger in einen offenen Sack mit Linsen, erfreute sich an dem glatten, kühlen Gefühl auf ihrer Haut, wie plattgedrückte Perlen, und ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Verlangend schnupperte sie in die Luft vor dem benachbarten Stand, in der sich die Aromen der in offenen Beuteln präsentierten Gewürze, in Schattierungen von samtigem Braun, mattem Gelb und Orangerot, vermengten. Ein satter, betäubender Duft, der es unmöglich machte, all seine Komponenten voneinander zu unterscheiden, und doch roch Maya eine Art Kümmel heraus, etwas fruchtig Scharfes wie Curry, und eine frische, holzige Pfeffernote. Bis ins turbulente Herz der Stadt waren Maya und Gita vorgedrungen, und immer häufiger lehnten Frauen in müßiger Haltung an den Hauswänden, während ihre Blicke aufmerksam das Treiben auf der Straße verfolgten. Ihre goldene Hautfarbe, ihre Saris in Fuchsia, Violett und Smaragd verrieten ihre indische Herkunft, und ihre stark geschminkten Gesichter, die Art, wie sie herumstanden, träge und lauernd, ließen Maya vermuten, womit sie ihren Lebensunterhalt verdienten, und sie musste sich beherrschen, diese Frauen nicht unverhohlen neugierig anzustarren.
Maya schluckte trocken, als ihr Blick auf einen Tisch fiel, an dem ein Mann gerade Wassermelonen aufschnitt, groß wie Kanonenkugeln, das rosarote Fleisch in seinem weißen Bett verlockend in seiner Saftigkeit. Der Obsthändler fing ihren Blick auf und schenkte ihr ein breites Lächeln, die Zähne weiß in seinem dunklen Gesicht und nur von einer einzigen Lücke unterbrochen. Aufmunternd streckte er ihr einen der Fruchthalbmonde hin.
» Bikam hâtha , wie viel kostet das?«, fragte Maya mit bemüht entschlossener Stimme. Eine Hitzewelle
Weitere Kostenlose Bücher