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Unter dem Safranmond

Unter dem Safranmond

Titel: Unter dem Safranmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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dicht nebeneinander, hängen die faranj zu sehr wirtschaftlich von den Feldern und Brunnen des dortigen Sultans ab. Alles, was wir tun können, ist, ihnen zu verstehen zu geben, dass sie mit uns rechnen müssen und uns nicht einfach unberücksichtigt lassen können.«
    »So sprecht«, ermunterte Sultan Salih ihn, »was schlagt Ihr vor?«
    Rashad bedankte sich mit einem Nicken, als sein Nebenmann ihm das Teeglas erneut gefüllt hatte und nahm es auf. Er sah den Sultan über den Rand des Glases hinweg an, und in seinen Augen funkelte es geheimnisvoll. »Mit einem klugen Schachzug die faranj dort zu treffen, wo sie am empfindlichsten sind.«

5
     Maya saß auf der einfachen, schmalen Veranda des Bungalows und las. Der Monat Oktober hatte, wenn auch keine kühlen, so doch erträglichere Temperaturen mit sich gebracht und eine trockene, warme Luft, die ganz Aden durchatmen ließ, bar der sonstigen feuchtheißen Schwüle. Vom Meer strich eine zarte Brise durch das gesamte Camp herüber, und im Schatten des überstehenden Daches war es richtiggehend angenehm. Sobald Ralph morgens den Bungalow verlassen hatte, nahm Maya sich einen Stuhl und setzte sich hierher, eines der Bücher in der Hand, die inzwischen eingetroffen waren, oder sie durchwanderte das Camp bis zum Strand, wo sie durch Sand und Steine stapfte, ihre Schuhe auszog und die Wellen über ihre bloßen Füße unter den gerafften Röcken streichen ließ. Stunden, in denen Aden ihr zwar nicht freundlicher, aber doch weniger feindselig vorkam, in denen sie nicht unter der ihr aufgezwungenen Untätigkeit litt, weil diese Stunden etwas von einer Vergnügungsreise an ferne Gestade hatten, obgleich sich auch in den selbstvergessensten Momenten nie ein Gefühl von Unbeschwertheit bei Maya einstellen wollte – nicht mit den finsteren Felswänden in ihrem Rücken oder am Rande ihres Gesichtsfeldes, denen zu entrinnen unmöglich war.
    Maya sah nicht auf, als ein Karren in ihrer Nähe knirschend hielt; zu vertraut war ihr das Geräusch im Zentrum des Camps, in dem jeden Tag reges Kommen und Gehen herrschte. Erst als sich ihr Schritte näherten, Männerschritte, hob sie den Kopf, und ihr Herz zuckte aufgeregt. Gleichwohl stand sie nur langsam auf, mit derselben Miene angespannter Konzentration, die sie dem Buch hatte angedeihen lassen, das sie nun zuklappte und in ihren verschränkten Armen vor die Brust drückte.
    » Jane Eyre «, las Richard halblaut anstelle eines Grußes, den Kopf leicht geneigt, um die goldgeprägten Buchstaben auf dem Buchrücken über Mayas Armbeuge entziffern zu können. »Ein völlig überschätztes Werk.« Instinktiv presste Maya das Buch fester an sich und wich leicht zurück.
    »Ich mag es«, widersprach sie heftig.
    »Natürlich.« Richards Gesicht zeigte keine Regung. »Das Gefühl, fremd und wurzellos zu sein, wohin man sich auch flüchtet, nirgendwo wirklich dazuzugehören, die innere Zerrissenheit – darin erkennen wir uns beide wieder.« Sein Mund verzog sich zu einem spöttischen Lächeln. »Oder ist es Mr. Rochester, der dich so fasziniert?« Mayas Wangen glühten. Warum nur durchschaute Richard sie immer so schnell?
    »Was willst du?«, lenkte sie ungeduldig ab.
    Er schwieg einen Moment, sah sie nur an, und seine Stimme klang wehmütig, fast zärtlich, als er schließlich sagte: »Genauso hast du vor mir gestanden, als ich dich das erste Mal gesehen habe, im Arbeitszimmer deines Vaters. Weißt du noch? Du hattest ein Buch an dich gedrückt und mich finster gemustert, bis ich mich hinhockte, auf Augenhöhe mit dir, und dich fragte, welches Buch das denn sei. Wie alt warst du damals? Acht? Neun?«
    »Sieben«, flüsterte Maya mit zittriger Stimme, und sie glaubte unter dem Tränenstrom zu ersticken, der vor lauter Traurigkeit und Heimweh plötzlich in ihr emporschoss. »Ich war sieben.«
    »Friede?« Bittend streckte er ihr seine Rechte hin, in derselben Geste, wie er sie damals nach jenem anderen Buch ausgestreckt hatte, und mit demselben Blick. »Ich wollte dir etwas von Aden zeigen, was du gewiss noch nicht kennst, was dich aber interessieren wird.«
    Wie damals knickte ihr linker Fußknöchel in kindlicher Unschlüssigkeit nach außen um, bevor sie dann doch alle Vorsicht beiseiteschob und Neugierde über Vernunft siegte. Und so, wie sie als kleines Mädchen dem fremden Studenten entgegengestürmt war, ihm ihren Schatz zu zeigen, in den sie sich beide dann sogleich vertieft hatten, nickte sie rasch. »Ich hole nur eben meinen

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