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Unter dem Safranmond

Unter dem Safranmond

Titel: Unter dem Safranmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Vosseler
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Haus. Maya sammelte hastig Buch, Lampe und Stuhl ein und trug alles ins Haus. »Hast du Hunger? Soll ich dir noch etwas –   «
    »Nein, ich habe schon im Kasino gegessen«, schnitt er ihr das Wort ab und schenkte sich ein Glas Brandy aus einer der Flaschen ein, die den Weg in den Bungalow gefunden hatten.
    Maya sah ihm zu, wie er im Stehen trank, zügig, als litte er schrecklichen Durst. »Konntest … konntest du mit Playfair sprechen?«
    Lieutenant Robert Lambert Playfair war der persönliche Assistent Outrams und nahm zusammen mit Kaplan G.P. Badger auch die Sprachprüfungen in Arabisch für die Soldaten ab. Letzterer hatte mehr als genügend Zeit, sich seinen Studien arabischer Handschriften zu widmen, denn der einfache Bungalow, der bis zum geplanten Bau einer anglikanischen Kirche als Kapelle für das Camp diente, war zu den Gottesdiensten nur selten besetzt. Die Soldaten von Aden erwiesen sich als keine sonderlich fromme Gemeinde.
    Maya hatte Ralph vor ein paar Tagen gebeten, Playfair die Gründung einer Schule vorzuschlagen, für englische Kinder wie für einheimische, und ihn zu fragen, ob er oder Badger Maya eventuell in Arabisch unterrichten würden.
    »Hm?« Ralph sah sie verwirrt an und trank noch einen Schluck. Dann blitzte Verstehen in seinem Gesicht auf, und er schüttelte den Kopf. »Hat sich noch keine Gelegenheit ergeben. Mache ich dann morgen.« Schwer ließ er sich in einen der Stühle fallen.
    Maya nickte, die Lippen zusammengepresst, und versuchte, sich ihre Enttäuschung nicht allzu sehr anmerken zu lassen. »Bitte vergiss es nicht«, bat sie ihn dennoch.
    »Habe ich schon jemals etwas vergessen?«, fuhr er sie an, in einer zornigen Geste die Arme ausgebreitet.
    Maya schüttelte betreten den Kopf. »Nein, entschuldige. Du weißt doch aber, wie wichtig es mir –   «
    »Rechne dir bloß keine zu großen Chancen aus!« Fast drohend richtete er sein Glas in ihre Richtung. »Du bist keine ausgebildete Lehrerin, Playfair ist momentan sehr beschäftigt, und wir haben in der Verwaltung wirklich noch ganz andere Sorgen!« Er nahm noch einen tiefen Zug. »Und außerdem: Was willst du eigentlich noch? Du hast hier doch alles, was du brauchst!« Verärgert wies er in den Raum hinein. »Du kannst dir schöne Tage machen, während ich mich auf der Schreibstube abrackere und mich mit drögem Papierkram abplagen muss!« Ralph stand auf, um sein schon wieder leeres Glas erneut zu füllen, setzte die Flasche dann mit einem lauten Knall wieder ab. »Ich verstehe dich nicht. Die anderen Frauen beklagen sich doch auch nicht, haben nicht solche Flausen im Kopf, sind zufrieden mit ihrem Leben!«
    Maya schluckte ihren Stolz hinunter und trat auf ihn zu. »Ich bin eben nicht so wie die anderen. Das hast du doch gewusst, von Anfang an.« Behutsam strich sie über seine Schulter, doch er schüttelte sie ungehalten ab.
    »Nichts habe ich gewusst, gar nichts!«, rief er wild gestikulierend. »Wenn ich gewusst hätte, was mich hier erwartet, hätte ich dich nicht …« Er verstummte, als er sah, wie sich Mayas Augen mit Tränen füllten. Sie wirbelte herum, stürmte in das Schlafzimmer und ließ die Tür hinter sich so heftig ins Schloss krachen, wie es das dünne Holz zuließ. Der Länge nach warf sie sich auf das Bett, vergrub den Kopf in den flachen, harten Kissen, doch das Weinen, das ihr vielleicht Erleichterung gebracht hätte, wollte sich nicht einstellen. Sie hörte Ralph im vorderen Raum auf und ab marschieren. Nach einer Ewigkeit öffnete sich die Tür und er schlich sich herein. Das Bett knarzte, als er sich neben sie legte, und Maya versteifte sich unter der Berührung seiner Hand auf ihrem Rücken. »Verzeih mir«, flüsterte er. »Ich hab es nicht so gemeint.« Er streichelte ihre Schultern, drückte Küsse in ihr Haar, und widerstrebend ließ Maya sich in seine Arme ziehen. »Verzeih mir«, murmelte er wieder und wieder zwischen einzelnen Küssen. Maya wehrte sich nicht, als er sie zu entkleiden begann, sie mit Liebkosungen bedachte, die sie sogar erwiderte, als könnte sie ihm so dabei helfen, seine verletzenden Worte von vorhin auszulöschen. Doch es misslang.
    Als sie sich hinterher an seinen nackten Rücken schmiegte, mehr aus Gewohnheit denn echtem Bedürfnis, sein Körper schwer und warm von Müdigkeit, einem Rest Trunkenheit und abklingender Lust, fühlte sich Maya so verlassen wie nie zuvor in ihrem Leben.

6
    Sebastopol, Oktober 1854
      Liebe Maya,
    nun ist schon wieder so viel Zeit

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