Unter dem Safranmond
sich beharrlich. »Ich lasse mir nur ein ganz einfaches Kleid machen, das ist hier doch nicht teuer, und ich muss auch nicht erster Klasse fahren.«
Ihr Mann trank weiter, und zwischen einzelnen Schlucken glaubte Maya etwas von »Verbindlichkeiten« und »Kasino« verstanden zu haben. »Wie bitte?« Ihre Frage kam gefährlich leise, ungläubig und fast schon zornig.
»Keine Sorge«, er drehte sich um und lehnte sich lässig an die Wand, »in ein paar Tagen habe ich wieder eine Glückssträhne, alle Schulden beglichen und du kannst fahren!« Er bemühte sich, selbstbewusst und siegesgewiss zu klingen, doch er wirkte mehr wie ein Schuljunge, der mit einer Ausrede um die drohende Strafe herumzukommen versuchte.
»Wie konntest du nur?«, war alles, was Maya zuerst hervorbrachte, als sie müde wieder zu ihrem Stuhl zurückging und darauf niedersank, ihre Stirn auf die geballten Fäuste gestützt. Im Volksmund nennt man Aden auch »das Auge Arabiens«. Ich wünschte, es würde dich lehren, endlich deine Augen zu öffnen und klar zu sehen , fielen ihr Richards Worte wieder ein. Sie hob den Kopf und sah Ralph aufmerksam an, und vielleicht zum ersten Mal sah sie ihn als das, was er wirklich war: ein Mann, der nur dafür geschaffen war, gegen feindliche Soldaten zu kämpfen, den Schlachten des Lebens aber hilflos gegenüberstand und unter deren Widrigkeiten in die Knie ging. Der die weich gezeichnete Scheinwelt des Rausches der scharfkantigen, nüchternen Realität vorzog, sich in der trügerischen Sicherheit wog, am Kartentisch, dieser kleinen, scheinbar so berechenbaren Welt, Herr über Spiel und Glück sein zu können. Sie nahm es ihm nicht einmal übel: Er hatte ihr nie etwas vorgemacht, nie behauptet, mehr zu sein als das, was er darstellte. Es war ihr alleiniges Verschulden, dass sie im Rausch der Verliebtheit und im Trotz gegen ihre Familie sich nicht die Zeit genommen hatte, ihn besser kennenzulernen, ehe sie mit ihm durchgebrannt war und damit den größten Fehler ihres Lebens begangen hatte.
Vielleicht hatte er den Anflug von Mitleid in ihrem Gesicht gelesen, denn als sie müde aufstand und sich anschickte, in das hintere Zimmer zu gehen, hörte sie ihn gehässig sagen: »Kannst ja deinen großartigen Freund Burton um Hilfe bitten!« Verwirrt drehte sich Maya zu ihm um. »Ja, er ist zurück, allerdings ohne Glanz und Gloria, sondern als Steinhäusers Patient! Noch in Berbera wurden er und seine Männer von Somalis überfallen. Speke wurde gefangen genommen, konnte aber schwer verwundet und unter großem Blutverlust fliehen. Ein anderer Lieutenant bezahlte Burtons Nachlässigkeit, das Camp nicht gut genug bewachen zu lassen, allerdings mit seinem Leben. Wenigstens hat auch Burton seine gerechte Strafe bekommen: eine Speerspitze mitten durchs Gesicht! Richtig gepfählt haben sie ihn! Aber das ist nichts dagegen, was Coghlan und Playfair mit ihm machen werden, wenn sie diesen Vorfall untersuchen lassen: Sie werden so mit ihm Schlitten fahren, dass er nirgendwo in der Armee noch eine Chance hat!« Ralph knallte sein leeres Glas auf den Tisch und marschierte an Maya vorbei ins Schlafzimmer, wo er sich in voller Montur der Länge nach auf das Bett warf. Maya starrte vor sich hin, und sie schlang die Arme um ihren Oberkörper; sie fror plötzlich.
8
»Es tut mir sehr leid, aber er will Sie nicht sehen.« Mitfühlend sah Dr. John Steinhäuser, wie in ihrem Gesicht die Hoffnung erlosch, die darin gestanden hatte, seit er ihr die Tür geöffnet hatte, auf ihre Bitte hin durch eine der dunklen Holztüren in den hinteren Teil des Hauses verschwunden und gleich darauf zurückgekehrt war. Enttäuschung machte sich sichtbar in ihr breit, vermischte sich auf ihren Zügen mit der ohnehin schon vorhandenen Besorgnis. Maya nickte, ihre Kinnpartie angespannt und verhärtet, als sie den Blicken des Arztes auswich und in den Vorraum starrte: ein quadratischer Raum, Tierfelle und gerahmte Photographien an den hellgelben Wänden. Die Rahmen der Fenster zur Straße hin waren aus dem gleichen Holz wie die Eingangstür und die Türen, die in die angrenzenden Räume führten, wie das der beiden einfachen Stühle mit Lehnen und Sitzflächen aus Rohrgeflecht und des eckigen, leicht schiefen Tisches, auf dem ein Stapel Briefe lag. Im Grunde hatte Maya von Richard nichts anderes erwartet, als sie sich gleich am nächsten Tag auf den Weg gemacht hatte, ihn in Dr. Steinhäusers Haus am Rande der Stadt zu besuchen. »Ist es … ist es sehr
Weitere Kostenlose Bücher