Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes
dead,
And ere their limbs grew stiff and cold,
Their hearts’ blood dyed its ev’ry fold.
Then raise the scarlet standard high.
Within its shade we’ll live and die,
Though cowards flinch and traitors sneer,
We’ll keep the red flag flying here.
Und ganz kurz weinte sie.
Die Trauer verwandelte sich in kalte Wut, als sie nach Mitternacht in Rinkes Unterschlupf ankam. In Arbeitshosen und verschwitztem Hemd, einen Schweißbrenner in der Hand, tigerte er umher und baute eigenartige Werkzeuge zusammen, von denen nur er wissen konnte, wofür sie gut waren. Vielleicht hätte Otto, oder wie er hieß, etwas davon verstanden, aber der schien mal wieder nicht da zu sein. Rinke verzog das Gesicht, als er ihr die Tür öffnete, ging schnurstracks zum Tisch und faltete einen Plan zusammen, der offenbar den Grundriss eines Gebäudekomplexes zeigte. Er steckte ihn in seine Hosentasche und werkelte weiter an irgendwelchen Eisenteilen herum. Dass er sich ihr gegenüber misstrauisch zeigte, war neu. Klara hatte kaum Gelegenheit, das Wort an ihn zu richten, so abweisend war er.
Schließlich stellte sie sich neben seine Werkbank und verschränkte die Arme, Zigarette im Mund: »Soll ich ausziehen?«
»Das wäre das Beste«, brummte er, ohne aufzusehen.
»Warum?«
Er warf ihr vor, seine Pläne zu gefährden, weil sie sich nichtbeherrschen könne und irgendwelchen privaten Vergnügungen hingebe.
»Mach das meinetwegen«, rief er, »aber dann verschwinde! Hier wird ernsthaft gearbeitet. Ich weiß nicht, wie deine Leute das finden, wenn du dich treiben lässt …«
»Was soll das heißen?«
»Das Flittchen, das sich ständig hier herumtreibt. Hol sie doch rein, dann haben wir beide was davon!«
»Du meinst die Frau mit den Netzhandschuhen?«
»Ach ja? Meine ich die?«
»Mit der habe ich nichts zu tun.«
»Nein? Wer hat sie mir gegenüber denn erwähnt? Und wieso geistert sie in unserer Straße herum und sucht sogar den Hof ab? Hier vor der Tür hat sie gestanden!«
»Hast du sie gefragt, was sie will?«
»Hab ich die Zeit dafür? Ich arbeite für zwei, seit Otto verschwunden ist. Auf einmal steht sie da und stammelt unverständliches Zeug.«
»Hör auf! Ich kenne sie nicht! Ich weiß nicht, was sie hier wollte! Vielleicht hat sie ja was mit Otto zu tun. Er ist verschwunden, eine Frau im Spiel …«
»Otto? Niemals! Keine Frauen!«
»Ach …«
»Das ist Gesetz, wenn ein großes Ding ansteht.«
»Die Herren Anarchisten haben neuerdings Gesetze?«
»Halt den Rand. Mich lenkst du nicht ab. Die Frau ist dein Problem. Also sorgst du dafür, dass sie verschwindet.«
»Vielleicht ist sie eine Spionin, oder die Stapo hat sie vorgeschickt, die Kripo, was weiß ich!«
Rinke lachte höhnisch. »Spionin? So wie du eine bist? Geistert herum, wirbelt Staub auf …«
»Immer noch besser, als sich bloß individuell zu bereichern.«
»… für nichts und wieder nichts. Weißt du überhaupt, was du tust, warum du es tust und für wen? Für die Internationale der Lesbierinnen?«
»Nimm das zurück!«
»Ach komm.« Er wandte sich wieder seiner Arbeit zu.
»Nimm das zurück, du egoistisches Schwein«, schrie sie ihn an.
»Du weckst die Nachbarn.« Er zog sich die Schweißmaske übers Gesicht und griff nach dem Brenner.
»Du selbstgefälliges Arschloch! Da draußen werden die Arbeiter niedergemetzelt, und du denkst an nichts anderes als deinen kleinlichen persönlichen Vorteil. Die fahren Panzerwagen auf und schicken ganze Bataillone von Meuchelmördern, und du …«
Rinke beugte sich über seine Eisenteile.
»Du lässt geschehen, dass wir alle verrecken, es ist dir egal, du Scheißkerl!« Sie warf sich gegen ihn, versuchte, ihm die Maske vom Gesicht zu reißen, und kam dabei der bläulich spritzenden Gasflamme bedrohlich nahe.
Mit einer heftigen Armbewegung stieß Rinke sie von sich. Sie taumelte durch den Raum, stürzte und prallte mit dem Hinterkopf gegen einen Schrank. Benommen lag sie da und sah, wie er innehielt, fluchte, seine Werkzeuge fallen ließ und auf sie zustürzte.
Ohne genau zu wissen, was sie tat, hob sie die Fäuste und schlug auf ihn ein. Er lachte verlegen, sie schrie ihm unzusammenhängende Beschimpfungen entgegen, sprang auf, griff nach einer Eisenstange auf der Werkbank und schleuderte sie ihm entgegen.
Er musste sich ducken, sonst hätte sie ihn mitten im Gesicht getroffen. Sie rannte hinaus.
»Klara!«
Für dich gibt’s keine Klara mehr, dachte sie, als sie die Straße entlangeilte, während
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