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Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes

Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes

Titel: Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Brack
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der Wind ihr die feuchten Schneeflocken ins Gesicht trieb.

    Auf der Bühne stand eine Operationsliege. Eine Krankenschwester führte einen Mann in Patientenkittel zu ihr hin. Er protestierte, es gehe ihm ausgezeichnet, er sehe keinenAnlass zu einer Behandlung. Die Schwester beruhigte ihn, es sei nur ein Routineeingriff. Nach einigem Hin und Her fügte der Mann sich in sein Schicksal und legte sich auf die Liege. Es dauerte eine Weile, bis die Schwester ihm klargemacht hatte, dass er für diese Operation auf dem Bauch liegen müsse. Der Arzt, der eher wie ein Schlachtermeister aussah, kam mit einem großen Küchenmesser zwischen den Zähnen. Ein Assistent rollte einen Wagen mit chirurgischem Besteck heran. Der Arzt machte sich an dem Patienten zu schaffen. Nach einer Weile warf er einen großen länglichen Gegenstand auf den Wagen. Der Patient sprang fröhlich auf, machte Kniebeugen mit nur einer erhobenen Hand und rannte zufrieden davon. »Der Nächste, bitte!«, rief der Arzt. Die Krankenschwester schob einen weiteren Kandidaten ins Rampenlicht, hinter dem sich inzwischen eine ganze Reihe von Männern und Frauen in Patientenkitteln zusammengefunden hatte. Diesmal ging die Operation schneller, beim nächsten noch schneller. Nachdem sich eine ganze Reihe länglicher Objekte auf dem Operationswagen gestapelt hatten, hielt der Arzt inne und musterte das Publikum. Dann nahm er einen der länglichen Gegenstände, es war eine Wirbelsäule, und versuchte, sie den Anwesenden zu verkaufen. Alle lachten, niemand griff zu. Ein SA-Mann trampelte lautstark heran, verlangte die Herausgabe der Wirbelsäule und gab mit schnarrender Stimme bekannt: »Der deutsche Mensch hat kein Rückgrat, braucht kein Rückgrat und will auch kein Rückgrat haben!« Der Arzt schulterte die Wirbelsäule wie ein Gewehr und salutierte mit der freien Hand: »Jawohl, mein Oberuntersturmbannstaffelgruppenführer!«
    Auf der Bühne hatten währenddessen die Krankenschwester, der Assistent und ein Patient die übrig gebliebenen Wirbelsäulen verbogen, sodass sie wie Saxofone aussahen. Die Jazzcombo auf der Nebenbühne zählte ein, und sie spielten mit. Nach acht Takten stoppte die Musik und der Arzt fragte den SA-Mann, ob er wisse, wofür die Wirbelsäule denn da sei. Der SA-Mann zuckte mit den Schultern, woraufhin der Arzt erklärte: »Das Rückgrat verbindet Arsch und Kopf. Nimmt manes weg, rollen die Köpfe und der Arsch bleibt übrig.« Die Musik spielte weiter.
    Na ja, dachte Klara, kleinbürgerliches Kabarett, verallgemeinernd und richtungslos, aber immerhin … wenn auch vor allem Zerstreuung für all jene, die sich noch ein Stirnrunzeln leisten wollen, und im Grunde nichts weiter als das sprichwörtliche Pfeifen im Wald, verschämtes Lachen im Angesicht der Katastrophe, die man selbst mit heraufbeschworen hat.
    Sie saß allein an einem kleinen Tisch und hatte sich jede Gesellschaft verbeten, der Stuhl ihr gegenüber blieb leer. Die Schampusflasche im Eiskübel war noch halb voll. Auf jeden Fall würde sie sie leer trinken, und zwar ganz allein. Der Aschenbecher füllte sich mit Kippen, das Programm lief weiter. Klara dachte an die einäugige Katze in Kopenhagen, das »Malstrøm« und den Fall Valdemar. Edogawa Rampo! Der metaphysische Schrecken, die bizarre Schönheit des Verderbens, der Höllenschlund in glänzenden Vokabeln und leuchtenden Buchstaben beschrieben. Wohingegen der ganz reale Schrecken bar jeder Schönheit ist, banal, ganz einfach tödlich, und mit glänzenden Vokabeln werdet ihr nicht dagegen ankommen, ihr Wortklauber. Wenn die Panzerwagen rollen und Kanonen auf euch gerichtet werden, genügt es nicht, wie Spatzen oder Finken zu piepsen und sich in Künstlerkatakomben aufzuplustern.
    Klara lachte vor sich hin. Wo ist mein »Torpedo«? Hack einen Leitartikel in die Schreibmaschinentasten! Kipp einen Kübel Jauche über die bürgerliche Verlogenheit, aber du hast ja nur einen Kübel mit Eiswasser, also kipp dir noch einen hinter die Binde, Tochter des revolutionären Proletariats, bind dir eine rote Schleife ins Haar, zieh dir Netzstrümpfe an, geh wieder zum Theater … oder Netzhandschuhe und Federn am Hut … ha, die Kleinbürger mit ihren schnieken Krawatten und hohen Absätzen … Untertan, Untergang … Aber das ist sie wirklich, schon wieder, möchte man beinahe sagen … Mit Netzhandschuhen und Federn am Hut steht sie da, verfroren am Eingang neben dem dicken Vorhang, der die Kälte raushalten soll.
    Klara winkte, prostete ihr

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