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Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes

Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes

Titel: Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Brack
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zu, bedeutete ihr herzukommen, zeigte auf den freien Stuhl ihr gegenüber. Und sie kam tatsächlich, diese komische Erscheinung aus einem anderen Jahrzehnt. Sieht aus wie auf einem Foto, wo man draufguckt und denkt, Gott wie haben wir uns damals dämlich angezogen. Aber die Beine übereinanderschlagen, das kann sie, und die Netzhandschuhe abstreifen wie eine, die das geübt hat, um ein bisschen Eindruck zu schinden. Nicht gerade würdevoll, aber immerhin mit einem Rest von Haltung. Und da blitzte es Klara erst durch den Kopf, dass sie es hier mit einem Mädchen aus einfachsten Verhältnissen zu tun hatte, mit einer, für die das Sich-Durchschlagen bitterer Alltag ist und die sich gelegentlich aus Notwendigkeit gezwungen sieht, mehr abzustreifen als nur diese dummen, nutzlosen und ehrlich gesagt kein bisschen eleganten Handschuhe. Klara winkte dem Kellner und ließ ihn ein zweites Glas bringen. Die Frau schaute sie abweisend an, wollte das Glas nicht anrühren, signalisierte: Es herrscht Feindschaft zwischen uns.
    Sie spricht sehr ungelenkes Deutsch, mit einem eigenartig dunklen Akzent. Gut möglich, dass sie jünger ist als ich, obwohl es den Anschein hat, als hätte sie mehr Jahre ertragen müssen, als wären diese Schicht Puder und das ganze Geschminke um die Augen und den Mund nötig, um ihr junges Leben einzuhauchen, dabei hat es den gegenteiligen Effekt, und nur hier in dieser schummrigen Katakombe könnte man sich täuschen lassen … wäre man ein Mann mit dicker Brieftasche auf der Suche nach was Lebendigem. Da könnte sie sicherlich was zeigen, wenn sie wollte, sieh mal an, wie sie die Stola von den Schultern gleiten lässt und ihr Dekolleté entblößt. Aber das tut sie nicht bewusst, nicht jetzt, einer Feindin gegenüber.
    Durch den Lärm der Musik, der Unterhaltungen, der Kellner-Rufe, der klingenden Gläser hindurch versuchte Klara ein Gespräch anzuknüpfen, aber es wollte einfach nicht gelingen. Also musste man alle Floskeln beiseite lassen, sie verstand sie sowieso nicht, und direkt fragen:
    »Wie heißt du?«
    »Das sage ich nicht.«
    »Wo kommst du her?«
    »Das sage ich nicht.«
    »Warum verfolgst du mich?«
    »Ich nicht – du!«
    Als wäre es eine Inszenierung, als hätte dieses Kabarett ein Sonderprogramm nur für mich laufen, seit Tagen schon, aber wo ist die Pointe?
    »Was hast du in dem kleinen Laden gewollt?«
    »Wie bitte?«
    »Der Laden mit den astrologischen Büchern.«
    »Ich weiß nicht, was das ist.«
    »In der Straße, wo ich wohne, was hast du da gemacht?« »Ich weiß nicht, wo du wohnst.«
    Karussell, wir fahren Karussell, ich sitze auf einem weißen Pferd, sie auf einem schwarzen genau gegenüber – wer ist hinter wem her? Wir werden uns niemals kriegen, es sei denn, wir steigen ab. Aber dazu müsste das Karussell erst einmal anhalten. Doch die Verhältnisse, sie sind nicht so. Wie sich also verhalten, wenn sich alles im Kreis dreht und man immer weitergaloppiert, ohne vom Fleck zu kommen? Ein Ziel gibt es sowieso nicht, der Mann an der Kasse hat nichts versprochen außer einem Drehwurm und schriller Musik.
    »Was willst du von mir?«
    »Nichts. Du sollst nichts tun.«
    Klara griff nach ihren Zigaretten. Noch einen Schluck Sekt. Die Andere schaute sehnsüchtig den aufsteigenden Rauchschwaden zu. Klara schob ihr die Manoli-Schachtel hin. Sie griff dankbar danach. Klara gab ihr Feuer. Die Andere blies ihr den Rauch ins Gesicht, genau so, wie sie es sonst immer machte.
    »Du denkst also, ich verfolge dich«, fragte Klara.
    Die Frau nickte.
    »Aber das tue ich nicht.«
    »Doch. Du musst aufhören.«
    »Warum?«
    »Es ist nicht gut.«
    Klara fühlte sich hilflos. Sie trank ihr Glas leer. Die Andere griff jetzt nach ihrem Sekt, nippte nur daran, merkte, dass sie es eigentlich nicht tun wollte und stellte das Glas hastig wieder hin.
    »Wieso ist es nicht gut?«
    »Es schadet ihm nur. Du musst ihn lassen. Alle müssen ihn lassen. Allein kann er besser …«
    Um Himmels Willen, ich bin das Objekt einer Eifersüchtelei in einer Geschichte, die mir unbekannt ist … ein Irrtum, ganz sicher, völlig idiotisch.
    »Das muss eine Verwechslung sein.«
    Die Andere dachte nach, dann nickte sie zustimmend: »Ja, eine Verwechslung, das ist am besten so.«
    »Gut«, sagte Klara und drückte ihre Zigarette aus. »Dann ist das ja erledigt. Du kannst zurück zu ihm gehen. Ich weiß nicht, wer er ist. Ich weiß nicht mal seinen Namen.«
    Die Andere beugte sich vor, hastig flüsternd: »Nicht den Namen

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