Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes
sie und fügte, jetzt neugierig geworden, hinzu: »Setzen Sie sich doch.«
Ich bin nicht mehr betrunken, stellte Klara fest. Da kommen diese beiden schrägen Figuren rein, und ich kann wieder gerade denken. Zufrieden vor sich hin lächelnd, drückte sie ihre Zigarette aus.
Berghaus drehte mit gespielter Nachdenklichkeit an der Sektflasche im Kübel und deutete auf die beiden Gläser. »Sie sind nicht allein?«
Die nächste Manoli flammte kurz auf. »Doch, ich hatte nur ein Animiermädchen zur Gesellschaft.«
Berghaus und Fritz schauten sich um.
»Sie ist auf und davon, als sie Sie gesehen hat.«
»Wie schade«, sagte Berghaus. »Ein Mädchen für Henßler wäre genau das Richtige heute Abend gewesen … und eine Dame für mich.«
Klara deutete mit der Zigarette zum Nebentisch: »Die Damen, die Sie suchen, sitzen dort.«
»Woher wollen Sie wissen, dass ich keine suche, die Hosen trägt?«
»Sie werden keine finden.«
Berghaus lachte. Fritz Henßler blickte ratlos drein.
»Adelige Revolutionäre«, wandte Klara sich an ihn. »Was seid ihr denn für ein komischer Verein?«
»Adelige gibt’s bei euch doch auch.«
»Nicht, dass ich wüsste.«
»Namen sind Schall und Rauch«, sagte Berghaus, hielt den vorbeihuschenden Kellner auf, bestellte eine Flasche Moselwein »und drei Gläser«, und drehte sich zu Klara um: »Sie geben uns doch die Ehre?«
»Ich gebe keine Ehre, ich trinke ein Glas Wein. Ehre ist was für Leute, die sich freiwillig erschießen lassen.«
»Wo sie recht hat, hat sie recht«, gab Berghaus nach kurzem Nachdenken zu.
Der Wein kam, man stieß an und endlich kam Fritz, der mit Nachnamen also Henßler hieß, zur Sache: »Die Gestapo hat uns im Visier, wegen Rinus.«
»Das ist euer Problem.«
»Die ganze Organisation wird in die Brandsache reingezogen, wenn wir nichts tun.«
»Wie weit steckt ihr denn mit drin?«
»Gar nicht.«
»Was habt ihr dann zu befürchten?«
»Dass uns das passiert, was den anderen passiert.«
»Warum soll’s euch besser gehen?«
»Aber hör mal, das ist doch …«
So ein Trottel, dachte Klara. Worauf er auch hinaus will, er hat keine Ahnung, wie er es anpacken soll.
Henßler griff hastig nach seinem Glas und trank einen großen Schluck.
»Wir dachten, du sympathisierst mit uns«, stieß er scharf hervor. Es klang, als würde er es persönlich meinen, ein klein wenig tadelnd.
»Nein.«
Berghaus beugte sich vor. »Sie stehen auf verlorenem Posten, Frau Schindler. Wir wissen jetzt, in welchem Auftrag sie handeln. Ihre Partei hat Sie auf ein Himmelfahrtskommando geschickt. So wie es aussieht, geht es nur darum, davon abzulenken, dass andere ihre Finger im Spiel hatten und haben.«
»Andere?«
»Während Sie als Lebendköder herumlaufen und die Aufmerksamkeit der Stapo binden, basteln andere an einer Verschwörungstheorie, die die Nazis für den Brand verantwortlich machen soll. Wie man hört, hat die Komintern im Ausland schon publizistische Sturmtruppen zusammengezogen, die den Brand nach allen Regeln der Propagandakunst ausschlachten.«
»Wie man hört?«, fragte Klara. »Wie hört man denn?« Gleichzeitig überlegte sie: Publizistische Sturmtruppen? Was für ein Vokabular benutzt er denn, dieser adelige Revoluzzer?
»In Holland«, schaltete sich Henßler ein, dem jetzt offenbar wieder eingefallen war, was er eigentlich anbringen wollte. »In Holland haben deine Leute Erkundigungen eingezogen. Die GIC hat zu spät bemerkt, dass das ein abgekartetes Spiel war. Reihenweise wurden Freunde und Bekannte von van der Lubbe ausgefragt. Die Informationen gingen aber nicht nach Berlin, sondern direkt nach Paris.«
»Und?«
»In Paris sitzt Münzenberg und sammelt Munition, um gegen die Nazis zu schießen. Der Reichstagsbrand ist der große Aufhänger. Die Nazis sollen als Verbrecherbande dargestelltwerden, die den Reichstag angezündet hat, um einen Vorwand zu finden, die Kommunisten auszuschalten, in dem sie die Tat ihnen anhängen. In Wahrheit aber sei van der Lubbe kein Kommunist gewesen, sondern ein Nazi.«
»Das ist weder neu noch originell.«
»Der Witz aber ist«, sagte Berghaus, »dass es stimmt.«
»Was stimmt?«, fragte Klara, die von dem Geschehen auf der Bühne abgelenkt wurde, wo jetzt langbeinige Tänzerinnen in knappen Kostümen erschienen.
»Dass er ein Nazi war. Er hat sich der SA angeschlossen … dazu muss man natürlich wissen … einen sozialrevolutionären Flügel … einen Aufstand … wenn alle revolutionären Kräfte … auch
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