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Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes

Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes

Titel: Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Brack
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glücklich über ihre Rolle als Animierdame, sie lächelte krampfhaft, lachte falsch und versuchte immer wieder ein Stück von dem einen oder dem anderen abzurücken, was nicht gelang. Sie hatten sie in der Zange.
    Wie hübsch sie ist, und wie eine entwurzelte Proletarierin sieht sie gar nicht aus. Schwarzes Haar, das knapp über ihre Ohren und an den Nacken reichte, volle Lippen, vielleicht ein wenig zu gerade, eine Nase von vollendeter Schönheit ohne Haken, lebendige Augen, sorgfältig gezupfte üppige Brauen, blasser, mit dezentem Rouge animierter Teint, die Haare schräg aus einer hohen Stirn gekämmt, die ihr das Aussehen einer Frau gab, die viel zu intelligent war, um sich hier begrabschen zu lassen. Aber habe ich sie nicht ganz anders gesehen, in Neukölln, wo sie einen eher störrischen und missgelaunten Eindruck machte? Aber da trug sie auch andere Sachen, nicht so ein dünnes, am Rücken und vorn weit ausgeschnittenes Kleid, die nackte Haut der sanft geschwungenen Schultern notdürftig mit einer Stola bedeckt, an der die Studenten gelegentlich herumzupften. Nur die Netzhandschuhe, die waren auch jetzt dabei und reichten ihr bis über den Ellbogen. Ob sie sich freut, wenn ich ihr den Muff zurückgebe?
    Das »Damenorchester« auf der Bühne machte eine Pause, und ein Kabarettist betrat die Bühne, um schlechte Witze, dumme Anspielungen und alberne Bemerkungen zu machen. Kaum jemand hörte zu. Eine Frau gesellte sich dazu, und es wurden beziehungsreiche bis anzügliche Scherze gegeben und »häusliche Szenen« gespielt, die sich ins Schlüpfrige entwickelten, als eine zweite Frau dazukam.
    Ich sollte die Sache erledigen, dachte Klara, aber sie fühltesich eigenartig passiv, beinahe desinteressiert. Das Geschehen um sie herum war von einer unerträglichen Seichtheit angesichts der politischen Situation am Vorabend des Kampfes der Zivilisation gegen die Barbarei. Und hier? Dumpfe Eitelkeit, billiger Schein, schäbige Lüsternheit oder auch schäbige Eitelkeit, billige Lüsternheit und dumpfer Schein oder eitle Lüsternheit und so weiter. Wir sitzen im Keller des Turms von Babel, und ist es nicht eigenartig, wie viele Gedanken man sich angesichts des drohenden Untergangs aller Freiheit machen kann um schlanke Schultern und diese dämlichen Netzhandschuhe? Herrgott noch mal, man ist ja selbst in der eigenen Scheinheiligkeit gefangen und korrumpiert von albernen Sehnsüchten!
    Da fiel Rékas Blick auf Klara. Sofort verdüsterte sich ihr Blick, und ein Ausdruck von Abscheu und Widerwillen trat an Stelle der gespielten Fröhlichkeit. Fast schon waren es böse Blitze, die durch den Gastraum direkt auf Klara geschleudert wurden.
    Die bringt mich noch aus der Fassung, das ist wirklich erstaunlich, dachte Klara und hielt den Muff an der Kordel in die Höhe. Es war beinahe Hass, was ihr da jetzt aus Rékas Gesicht entgegenschlug. Klara stand auf, leicht zittrig in den Knien, und ging zum Tisch der Ungarin, Zigarette im Mundwinkel, der Muff baumelte an der einen Hand, die andere hatte sie in der Hosentasche. Die jungen Männer am Tisch zu beeindrucken, war nicht schwer, denen fiel erst mal nichts ein, sie dachten wahrscheinlich an die Dietrich und überlegten, wie sie die Rolle von Gary Cooper spielen könnten. Réka stand nicht auf, schaute störrisch in Klaras Augen, griff nicht nach dem Muff.
    Klara nahm die Zigarette aus dem Mund. »Wir müssen reden«, sagte sie. »Komm mit.«
    Das funktionierte. Vielleicht deshalb, weil Klara in diesem Moment einen wesentlich herrischeren Eindruck machte als die jungen Männer am Tisch.
    Ein Zweiertisch wurde gerade frei. Klara schob Réka den Stuhl zurecht, hielt ihr den Muff hin. Die Ungarin nahm ihn endlich. Sie setzten sich.
    Nicht Klara ergriff als Erste das Wort, sondern die Andere. »Was willst du von Rinus?«
    Ah, so läuft also der Hase. Klara zündete sich eine Manoli an und hielt ihr die Schachtel hin. Réka, die eine Zigarettenspitze in der Hand gehalten hatte, nahm an, steckte die Zigarette auf, und nun konnten sie sich gegenseitig den Rauch ins Gesicht blasen. Was für ein Sport!
    »Von ihm persönlich will ich tatsächlich nichts.«
    Klara musste an Stendhals Mathilde denken. Die hier ist kein bisschen weniger störrisch, und sie weiß um ihren Wert. Wird sie ihren Geliebten im Gefängnisturm besuchen? Denkt sie daran, die Richter zu bestechen, um ihn freizubekommen … würde sie sein Haupt küssen, nachdem er guillotiniert wurde? Ach, bitte keine Übertreibung,

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