Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes

Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes

Titel: Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Brack
Vom Netzwerk:
dem Nachtlokal ›Zum Kuckuck‹. Mein Zimmer habe ich nicht mehr, weil er mich sonst findet. – Réka.«
    R. wie Rinus. Und W.? Klara zog sich an. Sie faltete den Brief, schob ihn in Stendhals Roman und steckte das Buch in ihre Manteltasche.
    In einem Postamt stöberte sie die Telefonbucheintragungen der Rubrik Gaststätten durch und fand die Adresse des »Kuckuck«. In einer U-Bahn-Station ließ sie sich von einem Schaffner erklären, wo Hennigsdorf lag und wie man dort hinkam.
    Ein Ort nordwestlich vor den Toren Berlins, sie musste eine Bahn nehmen. Der Weg von der Station zum Asyl war nicht schwer zu finden, ein Straßenkehrer erklärte ihr, es befände sich in der Polizeistation, und zeigte ihr den Weg. Hennigsdorf war eine kleine Stadt mit Backsteinhäusern, gar nicht so ländlich, wie sie gedacht hatte. Sie sah Schilder, die auf einen Betrieb der AEG hinwiesen, ein Stahlwerk schien es auch zu geben. Nicht Bauern sah man auf den Straßen, sondern Arbeiter und Angestellte. Schichtwechsel und Mittagspause trafen zusammen.
    Der wachhabende Beamte hatte sein Mittagessen auf dem Schreibpult ausgebreitet, Brot, Wurst und Eier lagen auf dem Einwickelpapier, eine Flasche Brause stand daneben. Ein Kachelofen verbreitete stickige Hitze. Der Polizist blickte unwillig zu ihr auf, als sie sich gegen den Besuchertresen lehnte. Sie hielt ihren Presseausweis hoch. Schnaufend stand er auf und trat zu ihr.
    Sei nett zu ihm, nahm Klara sich vor, sogar er wird als Arbeiter im Weinberg der Revolution gebraucht, auch wenn er bestimmt zu den Zuspätgekommenen gehört.
    »Ich hätte gerne ein paar Auskünfte«, sagte sie freundlich. Er studierte stirnrunzelnd den Ausweis. »Bitte?«
    »Hier in der Station gibt es doch ein Obdachlosenasyl.«
    »Ja, und?«
    »Da übernachten sicherlich Leute, es gibt ja viele, die kein Dach über dem Kopf haben.«
    »Hier in der Stadt kaum. Wir haben nur vier Betten. Mehr brauchen wir auch nicht. Sind höchstens mal ein oder zwei da.«
    »Darf ich mir das mal ansehen?«
    »Die Unterkunft? Warum? Interessiert sich England dafür? Das ist doch eine englische Zeitung – Times ?« Er sprach es falsch aus.
    »Ja.«
    »Eigenartig. Das ist ein kleines Städtchen hier.« Er schaute sie schief an. »Internationales Interesse gibt es sonst nie.« »Der Brandstifter vom Reichstag soll hier übernachtet haben.«
    Der Beamte schien verblüfft. »Wer?«
    »Der Holländer, Marinus van der Lubbe.«
    »Ach?« Er dachte nach oder tat jedenfalls so. »Davon ist mir nichts bekannt.«
    »Vielleicht schauen Sie mal in Ihrem Meldebuch nach.«
    »Warum sollte ich das tun?«
    »Diese Sache geht um in Pressekreisen. Bald wollen alle herausfinden, ob es stimmt. Und dann kommen die in Scharen her. Wenn ich’s morgen in der Zeitung bringe, spricht es sich auf diese Weise rum, und alle schreiben ab und sind froh, dass sie sich nicht extra herbemühen müssen.«
    Der Beamte warf seinem Mittagessen einen sehnsüchtigen Blick zu.
    »Das wird vielleicht eine große Sache, wenn der Holländer erst mal vor Gericht kommt. Dann stehen die Reporter hier Schlange.«
    »Und wenn Sie’s bringen, schreiben die es ab?«
    »So läuft es immer.«
    Der Polizist seufzte, drehte sich um und suchte auf einem zweiten Pult nach einer Kladde. Er trug sie zum Tresen und schlug sie auf. »Wann denn?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Na!« Er starrte sie finster an.
    »Irgendwann vor dem 27. Februar. Er war ein paar Tage in Berlin und vielleicht hier, da kommen höchstens zwei Wochen in Frage, schätze ich.«
    »Zwei Wochen!« Das schien ihm viel zu sein. Er leckte sich den Zeigefinger und blätterte. Dabei atmete er wie jemand, der eine anstrengende Arbeit durchführt.
    Am 26. Februar fand sich der Name M. van der Lubbe im Verzeichnis der Übernachtungsgäste.
    »Eine Nacht war er hier«, brummte der Beamte. »Zwanzig nach sechs am Abend.« Er drückte seinen Finger auf die entsprechende Stelle. Der Finger rutschte über das Papier und obwohl er nicht mehr feucht war, gelang es ihm nach drei Versuchen, die Seite umzublättern. »Am nächsten Morgen um 7 Uhr 45 ist er gegangen.«
    »Aha.« Klara machte sich Notizen. »Sehr gut.«
    Der Beamte sah sie ungläubig an. »Und was haben Sie jetzt davon?«
    »Da war doch noch ein Eintrag«, sagte Klara. »Ein zweiter Gast?«
    Den zweiten Namen hatte er offenbar nicht bemerkt. »Noch einer?« Er befeuchtete den Finger und blätterte zurück. »Ja, noch einer«, stellte er fest. Er schaute auf. »Waren das zwei, im

Weitere Kostenlose Bücher