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Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes

Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes

Titel: Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Brack
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durch den Hinterausgang ins Freie.
    Einer von ihnen klopfte Klara auf die Schulter: »Gut gespielt, Mädchen.«
    Klara bedankte sich. »Aber für wen hat er mich denn eigentlich gehalten?«
    Der Theatermann lachte. »Lotte Lenya, die kennt er aus der Zeitung, die er heimlich liest.«
    Erst jetzt, als die Anspannung von ihr abfiel, schaute sie sich suchend um, aber weder Otto noch Réka waren irgendwo zu sehen. Sie hatten die Gelegenheit genutzt und waren getürmt. Gemeinsam?
    Sie trank noch ein Glas mit den Theaterleuten, verabschiedete sich dann aber, als die Stimmung immer weiter in den Keller ging. Als sie ihren Mantel anziehen wollte, entdeckte sie den Muff in ihrer Hand. Wie kam er da hin? Gleichzeitig fiel ihr etwas ein: Diesen Namen, den Otto genannt hatte, Waschitzki, den hab ich jetzt schon zum dritten Mal gehört.

    Unter Klaras Schuhen knirschte die dünne gefrorene Schneedecke. Sie lief über die Wiese durch den Park auf eine Art Kanonenrohr zu, das in den Himmel gerichtet war. In diesem Moment hätte sie nicht sagen können, ob es Vormittag oder Nachmittag war, allzu diffus wirkte der Tag unter der grauenWolkendecke, und diffus war auch ihre Existenz geworden. Dich treibt ein Auftrag an, dessen Sinn du nicht mehr verstehst.
    Das Kanonenrohr ragte aus einer Art Festung. Wenn es doch nur eine Kanone wäre, gerichtet auf die Schlägerbanden der Hitlerei, und würde im Dauerfeuer die barbarischen Horden zurücktreiben oder wenigstens der Zivilisation eine Bresche schlagen, aber so ist es ja nicht. Hier geht’s um das Ewige, Unantastbare, unendlich Ferne, womöglich der Zeit nicht Unterworfene, in jedem Fall dem menschlichen Griff und Geist auf immer entzogen. Die Kanone ist auf den Himmel gerichtet, die Sternwarte hat höhere Ziele, sie schießt nicht, sie fängt winzige Lichtpunkte im All ein und hilft uns dabei, unseren Standpunkt zu finden – nicht mal als Glühwürmchen taugt der Mensch im kosmischen Zusammenhang, aber heißt es nicht auch per aspera ad astra ? Durch die Mühsal zu den Sternen, das ist immer unser Weg gewesen. Du suchst dir einen Stern und strebst danach, aber wenn alle Sterne so weit entfernt sind wie die da oben, wann kommen wir dann ans Ziel? Auf den Mond geschossen zu werden, wäre eine Alternative. Klara lachte vor sich hin, und fand sich selber blöde dabei.
    Der kleine alte Mann, der sie in die Sternwarte einließ und über die Treppe nach oben, gewissermaßen auf die Zinnen der Astral-Festung führte, legte eine selbstverständliche Geschäftigkeit an den Tag, die beruhigend wirkte. Wenn überall und noch in den hintersten Ecken der Hauptstadt und des Reiches solche einfachen Menschen am Widerstand arbeiteten, dann war Deutschland nicht verloren.
    Ein gigantisches Zahnrad, monströse Mechanismen, ein stählerner Leib, aus dem das Riesenteleskop ragte, das von hier aus betrachtet doch eher wie ein umgekippter Schornstein aussah. Ein Eisentreppchen, das auf eine Plattform führte, dorthin, wo jemand, der sich auskannte, im geeigneten Moment einen Blick in die Unendlichkeit des Universums wagen konnte. »1915 hat Albert Einstein hier den ersten Vortrag über seine Relativitätstheorie gehalten«, sagte der Genosse, dem die Wartung des Fernrohrs anvertraut war.Er hatte die ganze Zeit geredet, aber Klara hatte nichts davon mitbekommen.
    Nun standen sie vor dem fremdartigen Konstrukt, und Klara schaute den alten Mann fragend an: »Ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht, was ich hier soll.«
    Hinter der breiten Scheibe des Zahnrads trat ein jüngerer Mann hervor, Mantel aus gutem Stoff, breitkrempiger Hut und Schuhe, die akribisch geputzt waren, jedenfalls glänzten sie auffällig. »Genossin, du brauchst neue Papiere … Anordnung der Auslandsleitung.«
    Klara zuckte mit den Schultern.
    Er trat auf sie zu, zog den Handschuh von der rechten Hand und hielt sie ihr hin. »Ich bin Leo.« Kalter, fester Griff.
    Klara nickte. »Ich weiß.«
    Ich kenne dich gut, Genosse, dachte sie. Du bist einer von den Schattenmännern der Partei. Vor dir muss man sich in Acht nehmen, wie auch vor denen, die vor deinesgleichen kuschen, wenn der Schatten auf sie fällt. Denn da ist was Dunkles in unserer Bewegung, schwebt im Hintergrund und hat eine Macht, die unberechenbar ist. Und diese Macht reicht bis in deine Fingerspitzen.
    »Du kommst aus Hamburg«, stellte Leo fest.
    »Über Umwege.«
    »Du hättest damals besser zielen sollen«, sagte Leo. »Der Mann, den du ausschalten wolltest, tut sich jetzt

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