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Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes

Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes

Titel: Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Brack
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Eingangstür schlug zu.
    Einer der Theaterleute sagte zu dem Jungen, der noch immer in Abwehrstellung verharrte: »Komm, setz dich zu uns.«
    Klara schaute den Jungen an, seine notdürftige Bewaffnung, deutete mit den Augen auf Otto, der noch immer die Hand in der Innentasche hatte, und schüttelte den Kopf. »Pack das weg und setz dich hin.«
    Der Junge zögerte.
    »Los doch!«
    Er legte die Überreste des Stuhls vorsichtig auf den Tisch neben sich, an dem ein Mann und eine Frau in Abendgarderobe saßen, die das Geschehen mit bleichen Gesichtern verfolgten. Der Mann schob die Sektgläser beiseite, damit die Trümmer genug Platz fanden. Dann starrten beide ratlos die Holzstücke an.
    »Setz dich!« Klara deutete auf den Tisch der Theaterleute. Der Junge ging hin und schob sich auf die Bank, die Männer, die ihn eingeladen hatten, hockten sich neben ihn.
    Der Anführer der Eindringlinge war nun bei Klara angekommen.
    »Lassen Sie ihn doch, er ist ein Heißsporn«, sagte Klara, »und hat schon schwer einstecken müssen.«
    »Trotzdem«, sagte der Leutnant. »Er muss mitkommen.«
    »Darf ich ein gutes Wort für ihn einlegen?«
    Der Leutnant, der trotz der barbarischen Horde, die er anführte, einen recht kultivierten Eindruck machte, sagte: »Es tut mir sehr leid, Fräulein, aber …«
    »Wollen wir uns nicht setzen?« Klara deutete auf einen Tisch. »Wir könnten die Angelegenheit besprechen, während Ihre Männer sich an der Theke etwas zur Erfrischung holen. Der Wirt …« Klara warf ihm einen Blick zu, der Mann hinterm Tresen nickte.
    Der Leutnant schaute nachdenklich den Silberknauf seines Spazierstocks an, dann Klara und fragte unvermittelt: »Habe ich Sie nicht mal auf der Bühne gesehen?«
    Klara lächelte. »Das ist durchaus möglich. Erinnern Sie sich an das Stück?«
    Der Leutnant musterte sie nachdenklich und schüttelte den Kopf. »Einerlei.«
    Einige quälende Sekunden sah er unentschlossen den blutüberströmten Jungen an, der zwischen den Bühnenarbeitern saß und auf die Tischplatte starrte, dann rief er: »Männer! Wir machen eine kurze Pause. Geht was trinken.«
    Die Männer strömten zum Tresen. Drei näher gerückte SA-Leute mussten noch einmal extra in scharfen Worten abkommandiert werden, trollten sich dann aber auch.
    »Ein Glas Champagner für den Herrn Leutnant!«, rief Klara und fügte hinzu: »Sie korrigieren mich, falls ich Ihren Dienstgrad falsch eingeschätzt habe.«
    Da der Anführer dies nicht kommentierte, ging sie davon aus, dass er womöglich überhaupt keinen militärischen Dienstgrad hatte. So jung, wie er war, hatte er den letzten Krieg sicher nicht mitgemacht.
    Klara setzte sich und deutete auffordernd auf den zweiten Stuhl.
    Der Leutnant legte seinen Stock auf den Tisch, nahm Platz und zog seine Handschuhe aus.
    Der Wirt eilte mit zwei Champagnerkelchen herbei.
    Der Leutnant bemühte sich, Klara in wohlgesetzten Worten darzulegen, dass es seine Pflicht sei, den jungen Mann festzunehmen, da er ein Schläger sei, außerdem Kommunist und Jude noch dazu.
    Klara entgegnete zur Verteidigung des Jungen, in diesen Zeiten käme es leider allzu oft zu Schlägereien, und ihrer Ansicht nach sähe er eher wie ein Opfer als wie ein Täter aus. Und als der Leutnant sich nicht damit zufrieden geben wollte, begann sie mit einer weitschweifigen Ausführung und erklärte, der Junge sei ihr Gast, er habe hier, wo sie vorübergehend »ihre Zelte aufgeschlagen« hätten, um Asyl ersucht, und es sei ihre heilige Pflicht, es ihm zu gewähren. Das sei nun einmal gute alte germanische Tradition, das alte völkische Gastrecht lasse ihr keine andere Wahl, und selbst im Mittelalter hätte man sich in Deutschland noch daran gehalten, und es gebiete doch der Anstand, derartige althergebrachte Sitten zu achten und so weiter. Welches Theaterstück hier plötzlich in ihrem Kopf aufgeblitzt war und zur Wiederaufführung in der Realität kam, wusste sie selbstnicht, aber sie spielte ihre Rolle so gut, als sei gestern erst Generalprobe gewesen.
    Und der Anführer der Schlägerbande ging darauf ein, offenbar beeindruckt von ihr und ihrem Appell an seinen herrenmenschlichen Edelmut oder sein herrschaftliches Recht, Gnade walten zu lassen.
    Schließlich tranken sie gemeinsam ihre Kelche aus, der Leutnant erhob sich, küsste ihr sogar die Hand und kommandierte die Horde hinaus auf die Straße, wo inzwischen offenbar wieder Ruhe eingekehrt war.
    Die Theaterleute organisierten einen Mantel und brachten den Geretteten

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