Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes
Leitungen.
»Erklären Sie’s ihr endlich!«, drängte Waschitzki. Dessen Hände, so schien es Klara, zuckten ständig gierig in RichtungTasche, aber das mochte Einbildung sein. Sie hielt noch immer die Pistole in der Hand, ohne jedoch auf einen der Männer zu zielen. Nur dass sie wussten, die Waffe war da.
»Wir sind hier unter dem Palais«, sagte Scranowitz nervös. »Nebenan«, er deutete auf eine Tür, »ist der Keller dazu. Man hat also von oben Zugang. Göring hat eine SA-Leibwache. Von denen sind auch einige hier, wenn er nicht da ist. Gebäudeschutz. Es fällt also nicht auf, wenn Braunhemden anwesend sind. Die Gäste im Palais müssen sich nicht daran stören. Und wenn was in den Keller geschleppt wird, wer sollte Anstoß daran nehmen? Hier werden die verschiedensten Dinge aufbewahrt. Von dem Durchgang weiß kaum jemand von außen. Sowieso ist die Tür normalerweise immer verschlossen. Der Schlüssel hängt beim Portier. Abends wird alles zugemacht, und wenn alle weg sind, ist nur noch der Nachtpförtner da, aber der hat einen weiten Weg. Und wenn man den kennt, kann man sich ausrechnen, wann er hier ankommt. Schon Tage vor dem 27. Februar wurden die Kanister abgestellt. Es war dann ganz leicht, sie rüber in den Reichstag zu bringen, und es hatte ja auch von ganz oben Anweisung gegeben, dass an diesem Abend alle Bediensteten früher als sonst Dienstschluss hatten. Es waren genügend Männer da, die Kanister schnell in den Reichstag zu tragen.«
»Was denn für Kanister?«, fragte Klara.
»Aus Blech, mit zwei verschiedenen Flüssigkeiten … ich hab’s nicht ganz verstanden, aber man mischt es und gießt es aus. Und dann fängt es irgendwann von ganz allein Feuer. Man muss nicht dabeibleiben. Die Männer konnten also wieder hierher zurück und weggehen, bevor etwas zu bemerken war. Der Brand sollte erst später losgehen.«
Klara deutete auf die Tür. »Da durch geht’s in den Reichstag?«
»Ja.«
»Aufmachen, na los!«, kommandierte Waschitzki.
Scranowitz ging zur Tür und schloss sie auf. »Bitte sehr.« Er verzog das Gesicht wie einer, der Magenschmerzen hat. Er drehte einen Lichtschalter an, und nackte Glühbirnenleuchteten auf, die in regelmäßigen Abständen unter der gewölbten, niedrigen Decke hingen. Vor ihnen erstreckte sich ein langer Gang, in dem einer, wenn er ein Stück weit gebückt nach unten gegangen war, aufrecht stehen konnte. Die Leitungen aus dem Maschinenhaus verliefen auf der linken Seite unter der Decke, die dicken Heizungsrohre rechts unten. Am Anfang und am Ende des Gangs, wo es schräg abwärts beziehungsweise wieder aufwärts ging, lagen Holzbohlen.
»Nicht auf die Bretter treten«, mahnte Scranowitz. »Das ist zu laut!«
Das ist der Beweis, dachte Klara, die SA hat den Brand gelegt! Sie machte eine auffordernde Bewegung mit der Pistole. Scranowitz seufzte und ging voran. Waschitzki folgte mit vor Wut geballten Fäusten.
»Nicht so schnell, verdammt«, zischte er hinter Scranowitz her, der schon ein ganzes Stück vorausgegangen war.
Waschitzki ging schneller und warf einen Blick zurück auf Klara, offenbar um sich zu vergewissern, dass sie nicht mit der Tasche in der Hand den Rückzug antrat.
Kein Licht war am Ausgang des erleuchteten Tunnels zu sehen. Scranowitz hatte das Ende des Gangs erreicht und verschwand in der dort herrschenden Dunkelheit.
Waschitzki fluchte vor sich hin.
Als er aus dem Gang trat, flammte Scranowitz’ Taschenlampe auf. Er war ein Stück weit vom Tunneleingang weggelaufen.
»Hierher!«, rief er.
Waschitzki drehte sich um, zog gleichzeitig einen Revolver aus der Jackentasche und sagte verbissen: »Schluss jetzt! Her mit dem Geld!«
Ich hab nicht durchgeladen, war Klaras letzter Gedanke, bevor ein Schuss durch den dunklen Raum dröhnte und ein Schlag gegen den Kopf sie zur Seite warf.
Ein gellender Schrei, dann nichts mehr.
»Warum machst du das bloß?«
»Was?«
»Schon wieder eine Kerbe in den Revolverknauf. Das ist doch albern. Außerdem ist es schade um die schöne Waffe.«
»Davon hab ich doch genug.«
»Deine Museumsstücke.«
»Die Steinschlosspistolen hängen bei meiner Mutter zu Hause an der Wand. In meinem Zimmer und in der guten Stube. Damit Muttchen sich keine Sorgen macht, wenn mal wieder ein Besuch ›Pistolen-Heini‹ zu mir sagt.«
»Wie kann man einem Kerl, der mit Nachnamen Gewehr heißt, so einen Spitznamen geben?«
»Ach Karl, du weißt doch, wie die Leute sind. Hast du erst mal einen Spitznamen weg, dann
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