Unter dem Schatten des Todes - Brack, R: Unter dem Schatten des Todes
Inneren von Flammen zerfressenes architektonisches Ungeheuer … Wie oft bin ich um dieses verdammte Ding herumgestrichen, und alles nur, weil dieser Holländer oder wer auch immer … Ja, es wird Zeit, dass wir erfahren, wie das alles gekommen ist.
»Nicht das Hauptportal, rechts den Seiteneingang fürs Dienstpersonal«, hatte Waschitzki gesagt.
Ihre Stiefel knirschten auf dem Pflaster. Da war der Seiteneingang. Waschitzki jedoch war nirgends zu sehen. Wenn der mich jetzt auch versetzt, dann nichts wie weg und raus aus Berlin, schoss es Klara durch den Kopf, aber da wurde die Tür aufgezogen. Eine Flüsterstimme, unverständlich, eine kaum erkennbare Handbewegung, ist er das? Ich geh erst hin, wenn ich weiß, dass er es ist.
Waschitzki trat aus dem Eingang und lief auf sie zu. »Was ist denn? Los doch! Schnell!«
Klara zögerte immer noch und der dumme Gedanke: Was wäre eigentlich gewesen, wenn ich hier mit zwei Genossen angerückt wäre?, ging ihr durch den Kopf.
Waschitzki packte sie am Arm. »Rein da, bevor man uns sieht!«
»Ich dachte, Sie sind da zu Hause.«
»Schnauze!«
Er zog sie durch die Seitentür. Drinnen schaltete er eine Taschenlampe ein, zog sie mit sich und zerrte sie eine Treppe hinunter in den Keller.
»He, nicht so hastig.«
»Ruhig, verdammt!«
Er ließ ihren Arm los und ging voran. Sie folgte dem Lichtschein und seinem Schatten. Kellerräume, die meisten mit verschlossenen Türen, hier und da Verschläge mit Bretterwänden, da und dort eine kurz aufscheinende Beschriftung: Hauswart, Technik, Küche, Elektrische Anlage … Es roch trocken modrig.
Ein Gang folgte dem nächsten, Waschitzki kannte die richtigen Abzweigungen. Sie landeten im Keller des Maschinenhauses, in dem dicke und dünne Rohre unter der Decke hingen oder an den Wänden entlanggelegt waren. Endlich sah man am Ende des Kellergangs einen größeren Lichtschein.
Sie erreichten einen Raum, in dem kleinere Maschinen und größere technische Kästen mit Messuhren, Knöpfen, Reglern standen.
Ein Mann, der einen grauen Kittel über einem einfachen Anzug trug, erwartete sie. Auf seinem runden Kopf klebten dünne graue Haare, aber so alt, wie Klara ihn sich vorgestellt hatte, war der Hausinspektor des Reichstags nicht. Er sah sehr unglücklich aus, zweifellos war die Situation ihm unangenehm, sein leicht aufgedunsenes Gesicht zuckte nervös.
Waschitzki blieb stehen und wandte sich mit seinem ausdruckslosen Gesicht an Klara: »Haben Sie das Geld?«
»Ja, natürlich.«
»Geben Sie mir die Tasche!«
»Nein.« Klara zog die Pistole aus der Jackentasche. »Nur bei Gegenleistung.«
Das Zucken im Gesicht von Scranowitz wurde heftiger.
»Wir schleppen die Tasche doch nicht mit …«, sagte Waschitzki.
»Doch.«
Waschitzkis Finger krochen übereinander wie Nattern. »Hier ist sie aber besser aufgehoben.«
Klara spürte das mechanische Pochen ihres Herzens im Hals, die Dampframme meldete sich wieder, sie rang nach Atem, schüttelte den Kopf.
»Wir sollten hier nicht reden«, mahnte Scranowitz.
»Die Tasche …«, fing Waschitzki wieder an.
»Gehen wir weiter … bitte, jetzt«, drängte der Hausinspektor. »Es ist doch egal … Ich möcht’s gern erledigt haben.« »Meinetwegen, dann erklären Sie’s ihr«, lenkte Waschitzki ein.
Scranowitz deutete in den Kellergang. »Da geht es zum Palais des Reichstagspräsidenten.« Er machte eine fahrige Geste und wischte sich über die Stirn, dann über Wange und Mundwinkel. Vor wem hatte er Angst? Vor Waschitzki? Vor Klara? Davor, dass herauskam, dass er Geheimnisse für Geld verriet? Mit so einem kann man nichts anfangen, bei dem merkt gleich jeder, wenn er was verbockt hat.
»Ja und?«, fragte Klara ungeduldig.
»Wir gehen da jetzt hin.«
»Und dann?«
»Dann zeige ich Ihnen, wie die Brandstifter in den Reichstag gekommen sind.«
Scranowitz eilte voran. Waschitzki folgte ihm, nachdem Klara ihm mit der Pistole bedeutet hatte, dass sie ihn keinesfalls hinter sich haben wollte.
Auf dem Weg zum Palais wurde die Luft feuchter, hier und da gab es kleine Pfützen auf dem unebenen Boden. Immerhin war das Licht eingeschaltet und man konnte sehen, wohin man trat.
Schließlich kamen sie in einen gewölbeartigen Raum, der aus Backsteinen gemauert war. Dicke Rohre, die vom Maschinenhaus kamen, führten an der rechten Wand entlang auf einen Durchgang zu, neben dessen Tür sie in der Mauer verschwanden. Über die linke Seite des Raums liefen dünnere Rohre und zahlreiche
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