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Unter dem Teebaum

Unter dem Teebaum

Titel: Unter dem Teebaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Steves Gesicht war gänzlich von der Zeitung bedeckt, sodass sie nicht von seinem Gesicht ablesen konnte, was er dachte.
    »Steve, der, der du jetzt bist, bist du nicht wirklich. Du bist nicht grausam und ungerecht. Du bist ein liebenswerter, feinfühliger Mensch, der einfach zu oft in seinem Leben verletzt worden ist.«
    »Red keinen Unsinn, Peena. Ich habe nie eine schwarze Frau und ein schwarzes Kind gewollt. Nirgendwo könnte ich mich noch blicken lassen«, knurrte Steve hinter seiner Zeitung. Dann ließ er sie sinken. In seinen Augen konnte Peena sehen, dass ihre Worte ihn getroffen hatten, doch sie verstand nicht, warum er jetzt wütend war.
    »Ich bin kein jämmerlicher Waschlappen, ich bin ein Mann. Für Gefühle habe ich in meinem Leben keine Verwendung. Männer brauchen keine Liebe. Das Einzige, was sie brauchen, ist Erfolg und ein paar gute Kumpels. Und die habe ich dank Lambert endlich gefunden. Hör auf mit dem Geschwätz. Ich brauche keine Familie. Entweder du lässt es wegmachen, oder ich werf dich raus. Andere Möglichkeiten gibt es nicht.«
    Er sah Peena mit zusammengekniffenen Augen an. Dann stand er auf, packte sie im Nacken und schüttelte sie leicht. »Wieso bist du eigentlich erst jetzt schwanger geworden, hey?«, fragte er lauernd. »Seit Jahren lässt du dich von mir bumsen, ohne einen dicken Bauch zu kriegen. Bist du vielleicht jetzt schwanger geworden, weil du hoffst, ich würde dich nach Walters Tod zu meiner Frau machen?«
    Peena sah ihn aus weit aufgerissenen Augen an. Sie wusste nicht, was Walters Tod mit ihnen beiden zu tun haben könnte. Angstvoll schüttelte sie den Kopf.
    Steve stieß sie so heftig von sich, dass sie gegen die Wand taumelte.
    Als er sich zurück auf das Bett sinken ließ und die Zeitung erneut zur Hand nahm, setzte sie sich ruhig auf einen Schemel und begann fast unhörbar zu summen. Sie kehrte in Gedanken zurück in die Traumzeit, zurück zu ihren Ahnen, um sich von ihnen Rat zu holen.
    Als Steve mit seiner Lektüre fertig war, wusste auch Peena, was sie tun würde.
    Walter Jordan starb in der Nacht. Am Abend hatte es ein heftiges Gewitter gegeben. Jonah, Emilia, Walter und Amber hatten im Wohnzimmer gesessen und dem Naturschauspiel durch die Fenster zugesehen.
    »Ich habe das Gefühl, meine Zeit ist gekommen«, sagte Walter, kurz nachdem ein gewaltiger Donner das Haus erschüttert hatte.
    »Ach, Opa, rede nicht so«, wies ihn Emilia zurecht, die seit der Eröffnung ihrer Outback-Station an Selbstbewusstsein gewonnen hatte. Während in der Woche nur hin und wieder ein paar Besucher kamen, drängten sich an den Wochenenden zahlreiche Gäste aus dem nahen Adelaide oder Touristen aus Europa und Amerika um die Tische.
    Amber konnte gar nicht aufhören, sich über ihre Tochter zu wundern. Emilia war wirklich keine Sprachbegabung, und ihre Schulnoten in Englisch waren stets besorgniserregend gewesen. Doch seit sie die Station und mit ihr Gäste aus aller Welt hatte, sprach sie einige Brocken Deutsch, verständigte sich ein wenig auf Französisch und wusste in beinahe allen europäischen Sprachen »Auf Ihr Wohl« zu sagen.
    »Ich fühle es«, beharrte Walter.
    Jonah stand auf, kniete sich vor seinen Großvater und legte ihm seinen Kopf auf die Knie.
    »Danke«, sagte er. »Danke für alles, was du für mich getan hast.«
    Mehr sagte er nicht, doch es reichte, um allen im Zimmer die Tränen in die Augen zu treiben. Auch Emilia stand nun auf, legte ihren Kopf neben Jonahs auf Walters Knie. »Auch ich danke dir für alles. Du bist der beste Großvater, den man nur haben kann.«
    Walter seufzte. Amber war, als wollte er noch etwas Wichtiges sagen. Er öffnete den Mund und holte tief Atem. Seine Hände lagen auf den Köpfen seiner Enkel. Amber ahnte, was er sagen wollte.
    Sie kniete sich neben ihn und streichelte seine Hände. Mit ihren Blicken bat sie: Tu es nicht.
    Tochter und Vater sahen sich in die Augen und führten ein stummes Zwiegespräch.
    »Hast du mir verziehen?«, fragte Walter, und Amber antwortete: »Ja, Vater. Ich habe dir alles vergeben. Wenn du gehen musst, so kannst du in Frieden gehen.«
    Laut aber sagte Walter: »Jonah, ich habe es dir nie gesagt. Aber jetzt sollst du es wissen: Dein Vater war ein wunderbarer Mensch. Ich bin froh, dass ich Gelegenheit hatte, ihn kennenzulernen und seinen Sohn aufwachsen zu sehen. Seinen Tod bedauere ich seit dem Tag, an dem er gestorben ist. Und glaub mir, es gibt niemanden auf der Welt, der diesen Tod mehr bedauert als

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