Unter dem Teebaum
beachtlich. Er hielt sich sehr gerade und war durch die Arbeit an der frischen Luft stets mit einer gesunden Gesichtsfarbe gesegnet. Trotzdem hatten der Alkohol, die vielen Zigaretten und die durchfeierten Nächte in den Bordellen ihre Spuren in seinem Gesicht hinterlassen.
Als er an Amber vorüberging, roch sie sein teures Aftershave. Er benutzte diese Dinge erst seit ein paar Jahren. Irgendeine Frau, vermutete Amber, musste ihm gesagt haben, dass ein herber Duft seine Männlichkeit noch unterstreicht.
Steve stieg in den Landrover und kurvte ohne Gruß hinunter zum Feldweg, als Amber Peena bemerkte, die am Küchenfenster stand und ihm hinterhersah.
Ich muss ihr sagen, dass sie sich keine Sorgen machen muss, dachte Amber.
Sie stellte sich neben Peena. »Auch wenn mein Vater tot ist, gibt es für dich noch genug zu tun. Emilia ist sehr zufrieden mit dir. Sie sagt, du wärst nicht nur sehr fleißig, sondern so freundlich und liebenswürdig, dass es einige Gäste gibt, die nur deinetwegen kommen.«
Peena lächelte zaghaft. »Ich werde nicht mehr lange so fleißig sein können«, erwiderte sie. »Ich werde bald gehen müssen.«
In diesem Augenblick verstand Amber alles. Sie verstand, warum Steve Peena unbedingt nach Adelaide mitnehmen wollte. Sie verstand, warum das Mädchen in letzter Zeit etwas kränklich gewirkt hatte. Sie verstand alles. Peena tat ihr leid. Auch sie hatte sich ihr Leben wohl anders vorgestellt.
»Du erwartest ein Kind, nicht wahr?«, fragte sie. Peena sah sie so erschrocken an, dass Ambers Mitleid noch wuchs.
»Du erwartest ein Kind, und mein Mann ist der Vater.«
Peena nickte und sah schamvoll zu Boden.
»Steve will dich dazu bringen, das Kind abtreiben zu lassen. Du aber möchtest es gern behalten. Und nun fragst du dich, wie lange es noch dauert, bis ich dich aus meinem Haus werfe.«
Wieder nickte Peena. Ihre Schuhspitze kratzte über den Boden, die Hände knüllten die Schürze.
Amber legte den Arm um ihre Schulter. »Möchtest du das Kind wirklich, auch wenn sich der Vater nicht dazu bekennen wird?«
»Ein Kind ist ein Geschenk«, erwiderte Peena. »Keine richtige Aborigine würde jemals ein solches Geschenk zurückweisen. Auch nach mir muss es noch jemanden geben, der das Land und die Träume der Ahnen hütet.«
»Ich wusste, dass du so denkst, Peena.«
»Muss ich jetzt gehen?« Amber sah sie an. Das Mädchen wirkte beschämt, zugleich aber stolz.
Amber sah, dass Peena entschlossen war, das Kind zu bekommen.
»Du kannst bleiben. Du kannst dein Kind hier zur Welt bringen. Wir werden dir ein neues Zimmer geben. Das Zimmer meines Vaters und das angrenzende Büro werden nicht mehr gebraucht. Würdest du dich dort wohlfühlen?«
Peena nickte, doch irgendetwas bedrückte sie noch.
»Werdet ihr mir das Kind wegnehmen, Missus? Werdet ihr es zu den Missionaren geben oder in eine der Einrichtungen, in die so viele schwarze Kinder verschleppt werden?«
Amber schüttelte den Kopf. »Nein, Peena. Du brauchst keine Angst zu haben. Dein Kind ist dein Kind, und niemand wird es dir wegnehmen. Du kannst mit ihm auf dem Gut wohnen bleiben, du kannst bei uns arbeiten. Du wirst zwei eigene Zimmer bekommen und dazu einen Schlüssel. Niemand darf diese Zimmer betreten, wenn du es nicht willst. Du wirst weiter im Haus und in der Outback-Station arbeiten, sodass du jederzeit nach deinem Kind sehen kannst. Vergiss nicht, dein Kind ist mit Emilia verwandt. Sie wird ein Halbgeschwisterchen bekommen.«
Bei diesen Worten lachte Amber hell auf. »Es ist schon komisch auf dieser Welt. Mein schwarzer Sohn wird nicht mit deinem schwarzen Kind verwandt sein, sondern mein weißes Kind bekommt ein schwarzes Geschwisterchen. Emilia hat dann zwei schwarze Geschwister. Ist das nicht verrückt?«
Peena sah Amber mit großen Augen an. »Warum tun Sie das, Missus? Warum helfen Sie mir?«
Amber lächelte. »Ich habe auch ein schwarzes Kind, Peena. Du hast lange Jahre viel für uns getan. Nun ist es wohl an der Zeit, dass wir etwas für dich tun.«
Das Mädchen knüllte noch immer die Schürze zwischen den Händen. »Ich danke Ihnen sehr, Missus. Sie haben ein großes und gutes Herz. Trotzdem werde ich nicht bleiben können. Der Master wird es nicht dulden. Ich habe Angst um mein Kind.«
»Deine Angst ist nicht unberechtigt. Aber du musst dich nicht sorgen. Der Master wird es sein, der gehen muss.«
Peena riss erschrocken die Augen auf. »Schicken Sie ihn weg, weil ich ein Kind von ihm bekomme?«
Amber zögerte.
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