Unter dem Teebaum
mit der Hand an die Stirn.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte Amber besorgt. »Soll ich dir ein Glas Wasser holen?«
Walter schüttelte den Kopf und versuchte ein Lächeln. Auf seiner Oberlippe standen kleine Schweißperlen.
Amber wandte sich wieder an Margaret. »Ich wusste nicht, dass Steve den Kleinen in den Keller sperrt. Aber das wird er niemals wieder tun.«
»Du hättest es wissen können. Du hättest es wissen müssen.«
»Jonah ist ein tapferer Junge. Er hat niemandem etwas erzählt. Bob fand ihn einmal. Jonah war sehr verstört und zitterte am ganzen Körper. Er sagte, die Tür wäre hinter ihm zugefallen, irgendwer hätte abgeschlossen, ohne dass er es bemerkt hätte. Der Lichtschalter ist ja draußen, sodass er im Dunklen gesessen hatte. Nun, Bob hat ihm nicht geglaubt und hat ein paar Tage lang ein Auge auf den Keller gehabt. Schließlich hat er gesehen, dass Steve ihn dort einschloss. Obwohl er wusste, wie sehr der Junge sich fürchtet«, berichtete Ralph Lorenz.
Amber war jetzt ganz weiß geworden. Sie ahnte, dass Jonah im Keller den Tod seines Vaters spüren konnte. Er war ein Aborigine, er sah, hörte und empfand anders und mehr als die Weißen.
»Das darf nie wieder passieren«, flüsterte sie. »Nie wieder. Ich lasse nicht zu, dass Steve meinen Sohn quält. Ich lasse nicht zu, dass Steve unser Leben kaputt macht.«
»Du hast schon viel zu viel zugelassen, Amber«, tadelte Margaret.
Amber wollte aufstehen und gehen, doch Ralph hielt sie am Arm zurück. »Wir wollten dir etwas vorschlagen, Amber. Wir möchten Jonah und dir gern helfen«, sagte er, doch sie riss sich los.
Die Wut hatte ihr Gesicht weiß gefärbt. Sie zitterte. Sogar ihre Seele zitterte. Aus ihren Augen schossen Blitze, als sie Steve im Maschinenpark fand.
»Warum hast du Jonah im Keller eingesperrt?«, fragte sie.
»Er ist zu weich für einen Jungen. Ein Schwächling. Ich habe ihn als meinen Sohn anerkannt, also sorge ich dafür, dass er mich wenigstens in dieser Hinsicht nicht vor allen Leuten lächerlich macht.«
Amber ging auf Steve zu und versetzte ihm eine so kräftige Ohrfeige, dass sich seine Wange auf der Stelle rot färbte.
»Geh«, zischte sie. »Nimm deine Sachen, und verschwinde von hier!«
Sie keuchte vor Wut und hatte die Hände zu Fäusten geballt.
Steve schob den Hut aus der Stirn.
»Ich glaube, du weißt nicht, was du sagst, mein Täubchen. Hast du vergessen, dass dein Vater ein Mörder ist, der es nur meinem Großmut zu verdanken hat, dass er nicht im Gefängnis sitzt?«
»Das ist Jahre her. Es wird schwer sein für dich, Beweise zu finden.«
Steve lachte und kniff Amber in die Wange. »Wie dumm du doch bist«, sagte er. »Dein Vater ist alt. Er baut von Monat zu Monat mehr ab. Zweiundsiebzig ist er inzwischen. Meinst du, er steht die Verhöre bei der Polizei durch? Ha! Schon nach zehn Minuten wird er zugeben, den Nigger getötet zu haben. Er wird schneller im Knast landen, als du glaubst.«
Amber hielt inne. Sie wusste, dass Steve recht hatte. Und sie wusste auch, dass das Gefängnis der sichere Tod ihres Vaters wäre.
»Lass die Finger von meinem Sohn«, fauchte sie. »Lass Jonah in Ruhe. Wenn du ihn noch ein einziges Mal in den Keller sperrst, dann … dann …«
»Na? Was ist dann? Spuck es aus! Holst du dann deinen großen Bruder?«
Steve wollte sich ausschütten vor Lachen, doch als er den Blick seiner Frau sah, wusste er, dass er einen Schritt zu weit gegangen war. Er sah den Hass in ihren Augen.
Steve streckte den Arm aus und wollte Amber berühren, doch sie schüttelte ihn einfach ab. »Niemand möchte deinen Vater ins Gefängnis bringen«, sagte Steve und klang beinahe schon freundlich. »Ich habe kein Interesse daran. Soll er leben, so lange und so glücklich es geht. Ich gönne es ihm von Herzen. Den Nigger aber, um den kümmere ich mich, wie es sich für einen Stiefvater gehört.«
Amber sah rot vor Wut. Sie rang nach Atem. Rings um sie herum versank alles in Nebel. Sie wusste nicht mehr, wo sie war, wusste nicht mehr, wer sie war. Sie sah nur Steve, sah die kalten Augen, den schmalen Mund, der zu einem falschen Lächeln verzogen war. In ihren Ohren rauschte das Blut, sodass sie die Worte ihres Mannes nicht mehr verstehen konnte. Dann sah sie plötzlich eine Eisenstange an der Wand der Maschinenhalle stehen. Wie in Trance ging sie dorthin und griff nach der Stange. Sie nahm sie in die Hand, fixierte ihren Mann mit einem Blick, der so hasserfüllt war, dass jeder andere Angst
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