Unter dem Vampirmond 01 - Versuchung
Bruder.«
» Wie heißen sie?« Es gab so vieles, was ich von ihm wissen wollte, und stattdessen beschränkte ich mich auf all diese unverfänglichen Fragen.
» Peter und Ezra, der mit Mae verheiratet ist. Ezra ist der Älteste.«
» Was ist mit deinen Eltern?« Den Kopf gegen den Sitz gelehnt, sah ich ihn von der Seite an. Durch die vorbeirauschende Welt um uns herum war mir ein wenig schwindelig geworden.
» Tot.« Seine Stimme klang emotionslos, doch seine Augen wurden ernst, was überhaupt nicht zu ihm passte.
» Tut mir leid«, sagte ich verlegen.
» Schon okay, das ist gut fünfzehn Jahre her.« Er schüttelte abwehrend den Kopf und drehte sich dann mit einem Lächeln zu mir. » Und was ist mit dir? Hast du Familie?«
» Meine Mutter und einen jüngeren Bruder«, antwortete ich. » Aber er ist manchmal eher wie ein älterer Bruder.« Jack lachte sein wundervolles Lachen, das das ganze Auto erfüllte und ein Gefühl der Wärme in mir aufsteigen ließ.
» Ja, ich weiß genau, wovon du sprichst«, grinste er.
» Wirklich?« Ich hatte Milo immer für einen etwas komischen Vogel gehalten und war froh zu hören, dass er nicht der einzige seiner Art war.
» Ja, aber Peter ist ein Sonderfall«, sagte Jack. » Ehrlich. Ich wette, so jemanden wie ihn triffst du nur einmal im Leben.«
» Na ja, dazu müsste ich ihn erst einmal treffen«, entgegnete ich.
» Vielleicht irgendwann.« Er klang seltsam distanziert, beinahe besorgt.
» Du sagtest, du bist nicht verheiratet, heißt das, du bist solo?«, fragte ich.
» Ja.« Bevor ich tiefer bohren konnte, drehte er den Spieß um.
» Und was ist mit dir? Gibt es da jemanden?«
» Wohl kaum«, schnaubte ich verächtlich. Abgesehen von ein bisschen betrunkenem Rumgemache auf ein paar Partys, konnte ich nichts vorweisen.
» Warum nicht?«, bohrte Jack weiter.
» Du hast meine Freundin Jane doch kennengelernt«, antwortete ich verzagt. » Sie hat diese besondere Gabe alle Aufmerksamkeit im Raum auf sich zu lenken.«
» Nein, das stimmt nicht.«
» Warum hast du keine Freundin? Chancen hättest du schließlich genug, wie man sieht«, sagte ich, um das Gespräch wieder auf ihn zu lenken.
» Das ist es ja gerade. Alle mögen mich, ohne mich wirklich zu kennen. Das macht es nicht leicht, eine richtige Beziehung mit jemandem aufzubauen.«
» Und … was ist es, worüber du nicht mit mir sprechen wolltest?«, fragte ich, doch er gab keine Antwort. » Du willst es mir immer noch nicht verraten.«
» Ich glaube, in Lakeville gibt es eine Spätvorstellung der Rocky Horror Picture Show«, sagte Jack, anstatt zu antworten. » Wäre das was?«
» Klar.« Ich schaute aus dem Fenster und beobachtete, wie wir durch den Verkehr glitten. » Warum bist du heute nicht mit deinem Auto unterwegs?«
» Das andere ist eigentlich auch nicht mein Auto.« Wieder hatte ich nur eine halbe Antwort bekommen, doch ich begann mich schon fast daran zu gewöhnen. » Das gehört meiner Schwester Mae.«
Mir fiel auf, dass er sie Schwester genannt hatte, nicht Schwägerin, und ich fragte mich, ob er sich nur versprochen hatte. Seine Geheimniskrämerei veranlasste mich, alles bis ins Detail zu analysieren.
» Hast du überhaupt ein Auto?«
» Ja, einen Jeep. Ich hatte in letzter Zeit nur keine Lust, mit ihm zu fahren.« Er schenkte mir ein verschmitztes Lächeln. » Das hier ist außerdem viel schneller.«
» Das ist einfach nicht fair«, sagte ich frustriert, nachdem ich eine Weile schweigend darüber nachgedacht hatte, was er mir alles nicht sagen wollte. » Du erzählst mir überhaupt nichts von dir.«
» Hey, ich sage dir fast alles über mich.« Er bemühte sich, unbeschwert zu klingen, was ihm allerdings nicht ganz gelang. Und ich merkte zum ersten Mal, dass ihn sein Schweigen ebenso bedrückte wie mich.
» Meine Lieblingsfarbe ist Chartreuse. Ich bin ein Fan von The Ramones und The Cure. Meine Schlafzimmerwände sind dunkelblau gestrichen. Meinen ersten Kuss habe ich mit vierzehn bekommen, während wir Rock Lobster hörten, weil sie ein echter Fan von B-52’s war. Daran hätte ich sehen müssen, dass es zwischen uns nicht funktionieren konnte, aber ich war jung und dumm.«
» Chartreuse?«, fragte ich und übersprang den Rest seiner Beichte. » Ich weiß nicht einmal, was für eine Farbe das ist.«
» Das ist ein helles Olivgrün«, erklärte Jack. » Es ist die Farbe, die das menschliche Auge am besten wahrnimmt, wegen ihrem Platz im Farbenspektrum.«
» Du bist echt der totale
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