Unter dem Vampirmond 01 - Versuchung
Ich habe mich noch nie zuvor von jemandem so angezogen gefühlt.«
» Ja, Jack hat diese Wirkung.« Damit wollte ich ihn eigentlich trösten, stattdessen klang ich eher verärgert.
» Aber auf dich hat er diese Wirkung nicht.« Milo sah mich ungläubig an. » Wie ist das möglich?«
» Ich fühle mich zu ihm hingezogen, so viel ist sicher«, erklärte ich. » Ich möchte nur keinen Sex mit ihm.« Dann dachte ich an gestern Abend, als er mit nacktem Oberkörper in die Wanne getaucht war.
» Aber …« Milo rutschte unruhig auf seinem Stuhl herum und sagte dann kleinlaut. » Ich möchte nicht ordinär klingen, aber das war alles, woran ich denken konnte.«
» Sogar Jane war ganz verrückt nach ihm, und sie ist normalerweise von niemandem fasziniert, außer von sich selbst.«
Er wartete auf eine Erklärung dafür, doch ich hatte keine.
» Ich verstehe es auch nicht«, sagte ich schließlich. » Ich weiß auch nicht, was euch an ihm so fasziniert. Ich meine, er ist attraktiv und lustig und alles …« Ich verstummte, weil ich plötzlich merkte, dass ich vielleicht genau dasselbe für Jack empfand wie die anderen, und dachte dann an Peter. » Gestern Abend habe ich seinen Bruder kennengelernt.«
» Und?« Milo lehnte sich zu mir vor und sah mich mit leuchtenden Augen an.
» Nichts und. Er ist so umwerfend, umwerfender geht’s gar nicht. Aber er hasst mich.« Ich zuckte mit den Schultern und stocherte wieder auf meinem Teller herum, um so zu tun, als mache mir das nichts aus.
» Er hasst dich? Warum?« Immerhin fiel es Milo schwer, zu glauben, dass mich jemand hassen könnte. Vielleicht war ich ja liebenswerter, als ich dachte.
» Ehrlich gesagt, weiß ich das selbst nicht.« Allein daran zu denken, wie Peter mich vom Küchenfenster aus angesehen hatte, schmerzte mich. Ich würde mich lieber vor einen Bus werfen, als noch einmal diesen Blick ertragen zu müssen.
» Woher weißt du dann, dass er dich hasst?«
» Wenn du gesehen hättest, wie er mich ansah …« Ich schauderte bei dem Gedanken und entschied, dass wir lange genug über Peter und Jack gesprochen hatten. Ich stand auf und fing an, den Tisch abzuräumen.
» Ich versteh dich nicht, Alice«, murmelte Milo, als ich seinen Teller nahm.
» Da gibt es nichts zu verstehen«, entgegnete ich.
Er hatte gekocht, also war ich normalerweise für den Abwasch zuständig, doch heute Abend half er mir dabei. Danach setzte er sich an seine Hausaufgaben, und ich beschloss, mir eine schöne heiße Dusche zu gönnen. Aber als ich ins Bad kam, bemerkte ich, dass der Wäschekorb am Überquellen war und wir kein einziges sauberes Handtuch mehr hatten.
Weil Milo mit seinen Hausaufgaben beschäftigt war, ging ich zum Waschsalon. Ich füllte so viel Dreckwäsche wie möglich in drei große Wäschebeutel und trat den fürchterlichen Marsch zum Waschsalon an, anderthalb Blocks die Straße hinunter. Der Hausverwalter hatte schon lange versprochen, im Keller einen Waschraum einzurichten, doch bisher war daraus nichts geworden.
Ich füllte vier Maschinen (die maximale Anzahl, die eine Person belegen durfte), setzte mich dann auf einen der harten Plastikstühle und schaute eine Stunde lang zu, wie die Wäsche sich im Kreise drehte. Ich hatte gerade mit einem Psychotest in der Cosmopolitan begonnen ( » Befriedigst du deinen Mann im Bett?« – der perfekte Test für eine partnerlose Jungfrau), als es in meiner Tasche klingelte.
Was machst du? Die SMS kam von Jack.
Wäsche waschen.
Hast du Lust, was zu unternehmen? , antwortete Jack.
Ich trug eine Jogginghose mit Kordelzug, ein verwaschenes Darkwing-Duck-Shirt und darüber eine offene, marineblaue Kapuzenjacke. Von meinem Make-up war längst nichts mehr zu sehen, und mein Haar hatte ich zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Ideale Voraussetzungen für ein Treffen mit Jack.
Tatsächlich unternehme ich bereits etwas. Im Waschsalon Wäsche waschen. Und ich werde hier noch eine ganze Weile sitzen, schrieb ich zurück.
Du hast Glück, ich hab Zeit. Wie wär’s, wenn ich dir Gesellschaft leiste?
Sicher, warum nicht? Wie ich Milo leidenschaftlich versichert hatte, war mein Interesse an Jack nicht sexueller Art. Was kümmerte es mich also, wie ich aussah?
Cool. Bis gleich.
Weißt du überhaupt, wo ich bin? Als ich darauf zehn Minuten später immer noch keine Antwort hatte, wusste ich, dass er bereits unterwegs war.
Irgendwie wusste er immer, wo ich mich befand, wie damals, als er unsere Wohnung fand, ohne dass ich ihm
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