Unter dem Vampirmond 01 - Versuchung
hingehen.« Milo stand neben dem Sofa und sah stirnrunzelnd auf mich herab. Ich hatte mich zu einer Kugel zusammengerollt und starrte, mein Handy in der Hand haltend, ausdruckslos auf den Fernsehbildschirm. » Du bist jedes Mal völlig durch den Wind, wenn du von ihnen nach Hause kommst. Ich weiß nicht, was sie mit dir anstellen, aber es tut dir jedenfalls nicht gut.«
» Du solltest erst mal sehen, was ich mit ihnen anstelle«, murmelte ich.
» Was?« Seine braunen Augen betrachteten mich sorgenvoll, weshalb ich es vermied, ihn anzusehen.
» Nichts.«
» Alice, ich meine es ernst.« Milo hatte wieder diese bemutternde Art an sich, bei der ich normalerweise klein beigab, doch ich war zu benommen, um darauf zu reagieren. Also zog ich die Decke über meinen Kopf, um ihn nicht anschauen zu müssen.
Er ging schließlich fort, und ich blieb unter der Decke vergraben liegen. Ich fühlte mich schrecklich, als hätte ich meinen ganzen Lebenswillen verloren. Die Ereignisse der letzten Nacht waren zu viel für mich gewesen. Alles war so verwirrend und schmerzvoll, und ich hatte das Gefühl, ich befände mich in einem bösen Traum.
Dann ertönte plötzlich Time Warp auf meinem Handy, und ich schlug die Augen auf.
Ezra ist zurück. Er holt dich in fünfzehn Minuten ab.
Warum nicht du? Geht es dir gut? Ist alles in Ordnung? , fragte ich und mein Herz fing an zu rasen.
Mir geht es gut. Ezra wird dir mehr sagen. Bis bald, schrieb Jack zurück, doch ich war immer noch nicht beruhigt.
» Du gehst nicht etwa zu ihnen, oder!« Milo sah mir dabei zu, wie ich mein Reißverschluss-Kapuzenshirt von Famous Stars and Straps überzog, das ich auch in der Nacht getragen hatte, als Jack von dem Hund angegriffen worden war.
» Doch«, antwortete ich knapp, während ich meine Schuhe suchte.
» In diesem Aufzug?«, fragte Milo ungläubig.
» Ja.« Ich fand sie und schlüpfte hinein. » Die Dinge haben sich geändert. Ich muss sie nicht mehr beeindrucken.«
» Bist du dabei, mit ihnen Schluss zu machen oder so?«
» Ich weiß es nicht.« Ich hatte noch nie daran gedacht, sie von mir aus nicht mehr zu treffen, und auch jetzt verwarf ich diesen Gedanken sofort. Ich könnte unmöglich aus freien Stücken den Kontakt zu ihnen abbrechen, dafür war ich viel zu sehr mit Peter verbunden und wahrscheinlich zu verliebt in Jack.
» Wir haben morgen Schule!«, rief Milo mir nach, als ich die Wohnung verließ.
» Ist mir egal«, sagte ich und schlug die Tür hinter mir zu.
Kapitel 15
Ezra war noch nicht da, als ich nach unten kam. Er fuhr offenbar nicht so schnell wie Jack, oder er hielt es für höflich, mir etwas mehr Zeit zu geben, um mich fertig zu machen.
Ich saß auf dem Bordstein und versuchte angestrengt, mir nicht das Schlimmste auszumalen, als er schließlich in seinem Lexus vorfuhr. Obwohl ich das Auto bisher nur in der Garage gesehen hatte, ohne je damit gefahren zu sein, erkannte ich es sofort.
» Ich hoffe, ich habe dich nicht allzu lange warten lassen«, sagte Ezra, als ich einstieg, und lächelte mich freundlich an. Als er sah, dass mir kalt war, drehte er die Heizung höher. » Lass mich wissen, wenn es dir warm genug ist. Wir spüren die Kälte nicht so wie du.«
» Okay.« Nach dem kalten Bordstein fühlte sich der Sitz warm und gemütlich an, und ich sank tiefer hinein.
» Wie geht es dir?«, fragte Ezra aufrichtig, und ich versuchte, ihm so ehrlich wie möglich zu antworten.
» Es ist nicht ganz … einfach, das alles zu verarbeiten. Geht es Jack gut?«
» Ja, ihm geht es gut«, sagte er nickend. » Er brauchte nur ein bisschen Zeit, um sich wieder zu sammeln.«
» Wird er denn wieder in meiner Nähe sein können?«
» Ja. Letzte Nacht musstet ihr beide mit einer ganzen Menge Gefühle kämpfen. Wir alle betreten im Moment unbekanntes Neuland. Da sind Fehltritte normal.« Er sprach sehr gelassen, und seine tiefe Stimme übte eine Beruhigung auf mich aus, wie ich sie vermisst hatte, seit ich letzte Nacht nach Hause gekommen war. » Aber ihr müsst beide vorsichtiger sein, wenn ihr zusammen seid. Das dürfte euch jetzt, da ihr beide die Grenzen kennt, auch leichter fallen.«
» Das hoffe ich.« Obwohl mir nicht mehr kalt war, zog ich mein Sweatshirt enger an meinen Körper. » Ist Peter wieder da?«
» Noch nicht. Aber er wird bald kommen.«
» Jack hat gesagt, ich sei für Peter bestimmt. Was bedeutet das?« Ich sah zu Ezra hinüber und erwartete schon fast, von ihm ebenso ausweichende Antworten zu bekommen wie
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