Unter dem Vampirmond 01 - Versuchung
» Wozu habt ihr eigentlich so viel Geschirr?«
» Weil das normal ist.« Jack rollte die Schultern. » Ich meine, wir bräuchten eigentlich überhaupt keine Küche, und in einem Haushalt mit vier Personen haben wir sieben Bäder.«
» Bäder erhöhen den Wiederverkaufswert!«, verteidigte sich Ezra, und sein Ton sagte mir, dass sie diese Diskussion nicht zum ersten Mal führten. » Wir werden hier nicht allzu lange wohnen bleiben, also ist es besser, wir können das Haus zu einem guten Preis verkaufen.«
» Was soll das heißen, ihr werdet hier nicht lange wohnen?« Ich hatte mich auf den Tresen gestützt, hob nun aber abrupt den Kopf und sah ihn fragend an.
» Ich kann nur so lange sechsundzwanzig bleiben, bis es den Nachbarn allmählich komisch vorkommt«, erklärte Ezra, aber es dauerte dennoch einen Augenblick, bis ich begriff. Während die Menschen um sie herum alterten, blieben sie immer gleich. » Wir ziehen ungefähr alle fünf Jahre um, aber wir sind bereits seit einer ganzen Weile in der Gegend um Minneapolis.«
» Ich habe noch nie woanders gelebt«, fügte Jack hinzu.
» Du bist hier geboren?« Ich sah ihn verblüfft an. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund hatte ich immer geglaubt, er käme aus Kalifornien oder Las Vegas oder so.
» Genauer gesagt, in Stillwater. Aber es ist trotzdem heikel, so nah bei meiner Familie zu wohnen.« Er sagte das ganz nebenbei, als sei es keine große Sache, und plötzlich ging mir ein Licht auf. Er musste eine Veränderung in meinem Gesichtsausdruck bemerkt haben, denn er sagte: » Wir können mit unseren Familien nicht in Kontakt bleiben. Wir verändern uns erst zum Besseren hin und dann verändern wir uns gar nicht mehr.«
» Und es ist zu schmerzlich, mit ansehen zu müssen, wie sie altern.« Irgendwie hatte es Ezra geschafft, etwas wirklich Schreckliches beinahe tröstlich klingen zu lassen, und dennoch krampfte sich mein Herz zusammen.
Ich schaute zu Mae hinüber, die am Herd stand und fröhlich mit meinem Bruder plauderte, und mir wurde plötzlich die ganze Tragweite von Ezras Worten bewusst.
» Es ist nicht so schlimm, wie es klingt«, sagte Jack tröstend.
Es gab Dinge, über die ich nicht nachgedacht hatte, als ich mich auf sie eingelassen hatte, und ich war mir sicher, dass im Laufe der Zeit noch mehr solcher Dinge ans Tageslicht kommen würden. Es würde nicht leicht werden.
Wie um meine Gedanken zu bestätigen, betrat Peter plötzlich den Raum. Sein eng anliegendes T-Shirt und die Jeans betonten die schlanken Konturen seines wunderschönen Körpers. Seine leuchtenden smaragdgrünen Augen trafen meine, nur für einen kurzen Augenblick, dann huschten sie weiter, als könne er es nicht ertragen, mich anzusehen.
Es genügte schon im selben Raum mit ihm zu sein, und meine Haut begann zu kribbeln und mein Blut pochte mir laut in den Ohren. Aus dem Augenwinkel heraus sah ich, wie Jack zusammenzuckte, doch diesmal spürte ich seine Gefühle nicht. Wenn Peter in meiner Nähe war, überstrahlte er alles andere, auch die Gefühle, die mir Jack manchmal übertrug.
» Was soll denn das hier?« Peter wies auf die unübersehbaren Spuren von Maes Kochversuchen. Mae selbst war so auf ihre Arbeit konzentriert, dass sie Peter noch gar nicht bemerkt hatte. Doch als sie seine Stimme hörte, drehte sie sich erschrocken zu ihm um.
» Ich rufe dich zurück«, murmelte Mae ins Telefon und ließ es – den Blick weiter entgeistert auf Peter gerichtet – in ihre Tasche gleiten. » Peter, du bist wieder zu Hause!«
» Das bin ich.« Auf der Innenseite seiner Wange kauend, vermied es Peter weiterhin, mich anzusehen. Und ich fragte mich, wo er nur die Willensstärke hernahm, diesen Drang zu unterdrücken. Ich war davon so überwältigt, dass mir beinahe der Atem stockte. » Ist das etwa als Festessen anlässlich meiner Rückkehr zu verstehen?«
» Sie weiß Bescheid, Peter«, sagte Ezra leise.
Peters durchdringender Blick schoss blitzschnell zu mir und versetzte mich in einen Rausch, von dem mir schwindelig wurde.
Hinter mir hörte ich einen Stuhl zu Boden fallen und Jack aus der Küche hinausstürmen, doch ich drehte mich nicht um. Auch Peter reagierte darauf nicht und kam stattdessen langsam auf mich zu, die Augen fest auf meine geheftet.
» Dann füttert ihr sie jetzt?«, fragte er, ohne den Blick von mir abzuwenden, doch keiner antwortete. Er streckte die Hand aus, berührte eine feuchte Strähne meines Haars und atmete tief ein. » Und sie duscht auch hier. Wohnt
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