Unter dem Vampirmond 01 - Versuchung
Telefon ein! Wenn du heute Nacht nicht nach Hause kommst, könntest du ja vielleicht wenigstens ein paar von deinen Sachen holen, während Mom auf der Arbeit ist.«
» Okay!« Ich winkte ihm zu. Dann drehte ich mich um und lief den Block entlang, weg von unserer Wohnung, weg von meinem Bruder, weg von meinem Leben.
Kapitel 19
Ich g in g die vo n Bäumen gesäumte Straße entlang. Der Frühling machte sich immer deutlicher bemerkbar, die Temperaturen stiegen an, die Tage wurden länger – und die Nächte demzufolge kürzer. Ich fragte mich, wie Jack wohl darauf reagieren würde.
Ich war müde und hatte Gänsehaut, vor allem aber war ich noch ganz aufgedreht von allem, was passiert war. Ich spürte noch seinen Kuss auf meinen Lippen, und ich fragte mich betrübt, ob ich ihn jemals wieder würde küssen können.
Die Entscheidung, von zu Hause auszuziehen, war eine Schnapsidee gewesen, das gab ich zu, und meine Mutter war zu Recht wütend auf mich. Ich hatte nur einfach nicht die Kraft, mich mit Dingen zu beschäftigen, die keine Bedeutung mehr hatten.
Vielleicht hätte ich vernünftiger reagiert, wenn ich nicht Jacks Worte im Hinterkopf gehabt hätte. Als ich ihn fragte, wie es sich anfühle, ein Vampir zu sein, hatte er mir geantwortet: » Du wirst es verstehen, wenn du ein Vampir bist.«
Es wäre nur logisch, wenn ich am Ende zum Vampir werden würde. Selbst wenn ich nicht heute bei ihnen einziehen würde, irgendwann würde ich es tun. Sie hatten mich schließlich nicht umsonst in den Schoß ihrer Familie aufgenommen. Sie wollten mich zu einer von ihnen machen, das hatte Jack bereits angedeutet, als ich noch gar nicht wusste, dass sie Vampire waren.
Ich setzte mich auf eine Parkbank und zog meine Beine angewinkelt vor die Brust. Die Sonne schien nun über die Häuser und wärmte angenehm meine Haut, und ich fragte mich, wie lange ich die Sonne wohl noch genießen könnte.
Ein Leben mit ihnen würde bedeuten, auf vieles verzichten zu müssen, doch das schien nicht weiter von Bedeutung, denn ich würde zum Ausgleich dafür so viel mehr bekommen.
In der Hoffnung, dass Jack noch wach war, zog ich mein Handy aus der Tasche. Meine Erschöpfung und die Kälte hatten einen kritischen Punkt erreicht.
» Hallo?«, antwortete Jack matt.
» Sorry. Hab ich dich geweckt?«
» Nö, ich geh aber gerade ins Bett. Warum? Was ist los?« Seine Stimme klang schrecklich müde und er gähnte ins Telefon.
» Ich habe mich nur gefragt, ob ich … für eine Weile bei euch wohnen könnte?« Als die Frage draußen war, verzog ich das Gesicht und wartete nervös auf seine Reaktion. Vielleicht sollte ich doch lieber nach Hause gehen und mich mit meiner Mutter versöhnen, bevor sie das Türschloss wechselte.
» Ja, klar. Was ist passiert?«, antwortete Jack, ohne lange zu überlegen.
» Ich hatte einen Streit mit meiner Mutter, weil ich so spät nach Hause gekommen bin, und jetzt bin ich dort nicht mehr willkommen.«
» Oh, verdammt! Das tut mir leid«, entschuldigte sich Jack. » Aber klar. Du kannst bei uns wohnen, solange du willst. Soll ich dich abholen?«
» Das wäre nett, ich kann aber auch warten.« Ich war mir nicht sicher, wie er auf die Sonne reagierte und ob er tagsüber Auto fahren konnte.
» Ja, ja, okay. Ich bin in fünf Minuten bei dir.« Er gähnte wieder, und kurz darauf hörte ich Deckengeraschel. Er war also schon im Bett gewesen.
» Ich bin aber nicht zu Hause. Ich sitze ein paar Blocks weiter auf einer Bank.« Ich sah mich nach einem Straßenschild um, um ihm zu sagen, an welcher Kreuzung ich mich genau befand, doch dann fiel mir ein, dass er mich wohl auch so finden würde.
» Okay. Warte dort auf mich.« Er legte auf, und ich steckte mein Handy in die Tasche zurück.
Ich war froh, nicht den ganzen Tag wie eine Obdachlose auf dieser Bank verbringen zu müssen, doch ich war mir immer noch unsicher, ob ich das Richtige tat.
Nichts in meinem Leben hatte mich auf all das vorbereitet. Bisher hatte mein Leben daraus bestanden, mit Milo zu Hause zu sitzen, mit Jane shoppen zu gehen und auf Partys rumzuhängen und mich dabei selbst zu hassen. Das war alles.
Meine Erfahrungen mit Jungs beschränkten sich auf ein bisschen Geknutsche, ich hatte noch nie ein Auto gefahren und war über die Gegend um Minneapolis noch nicht hinausgekommen. Mein Vater hatte uns verlassen, als ich noch keine zwei Jahre alt war, und meine Mutter arbeitete, so lange ich denken konnte, von früh bis spät, um unseren bescheidenen
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