Unter dem Vampirmond 01 - Versuchung
Lebensunterhalt zu verdienen.
Ich wusste nichts vom Leben, und trotzdem war ich drauf und dran, alles aufzugeben für etwas, von dem ich nicht einmal genau wusste, was es war.
Kaum sechs Minuten waren seit unserem Telefonat vergangen, als Jacks Auto vor mir am Straßenrand hielt, und ich wunderte mich von Neuem, wie er es schaffte, so schnell zu sein. Er grinste mich hinter einer riesigen Sonnenbrille müde an, und ich stieg ein, ebenfalls zu müde, um irgendwelche Fragen zu stellen. Ich wollte nur so schnell wie möglich ins Bett und schlafen.
Als wir angekommen waren, führte mich Jack in mein Zimmer. Es war das Gästezimmer am Ende des Gangs im ersten Stock – das Turmzimmer. Ich fühlte mich gleich wie Julia oder Rapunzel. Die Wände des Zimmers waren rund, und auf einer Seite ging es auf einen Balkon hinaus. Das Zimmer war in einem zarten Fliederton gestrichen, der dem in meinem eigenen gespenstisch ähnlich war. Das Himmelbett war ganz in Weiß gehalten mit edler Bettwäsche. Mae hatte auf dem Bett sogar einen Satinpyjama für mich bereitgelegt.
» Wow, das ist einfach fantastisch!« Ich strich über die Bettdecke und sah mich bewundernd im Raum um. » Das ist genau mein Stil.«
» Das sollte es auch sein.« Jack stand gähnend an den Türrahmen gelehnt da, und wollte sich versichern, dass ich alles hatte, was ich brauchte. » Mae hat es für dich eingerichtet.«
» Wie? Jetzt eben? Ich habe angerufen, und sie hat das Zimmer gestrichen?« Ich runzelte verwirrt die Stirn.
» Nein«, er lachte und schüttelte den Kopf. » Anfangs dachte sie, du würdest einfach in Peters Zimmer wohnen, doch als daran Zweifel aufkamen, hat sie diesen Raum hier für dich hergerichtet. Früher oder später musstest du ja hier landen, nicht wahr?«
» Ja«, ich nickte, obwohl es mir ein komisches Gefühl bereitete, zu wissen, dass jemand schon alles für meine Ankunft vorbereitet hatte, bevor ich überhaupt wusste, dass ich herkommen würde.
» Mae nistet gern«, erklärte Jack, der mein Unbehagen offenbar bemerkt hatte, und schenkte mir ein beruhigendes Lächeln. » Das ist ihr Ding. Damit ist sie ganz in ihrem Element. Sie hat nicht allzu oft die Gelegenheit, ein Mädchenzimmer zu dekorieren, verstehst du.«
» Ja, verstehe.«
» Okay. Tja, ich werd mich dann mal aufs Ohr hauen. Aber ich bin gleich nebenan, wenn du mich brauchst.« Er trat einen Schritt zurück, fügte dann aber mit einem verschmitzten Grinsen hinzu: » Aber komm nicht auf dumme Gedanken!«
» Ja, werd mich bemühen.« Ich sagte das ironisch, aber ich wusste, ich würde mich wirklich bemühen müssen.
Jack lachte und ging in sein Zimmer, das nur eine Wand von meinem trennte. Peter war nicht da, und Mae schlief ein Stockwerk tiefer. Es war beinahe zu einfach. Ich müsste nur nach nebenan gehen und wir könnten beenden, was wir ein paar Stunden zuvor begonnen hatten …
Glücklicherweise jedoch erinnerte mich mein Körper daran, wie müde ich war. Ich schloss die Zimmertür, zog den Pyjama an und schlief, kaum dass mein Kopf das Kissen berührt hatte, schon ein.
Als ich am nächsten Tag nach Hause ging, um ein paar Klamotten zu holen, hatte Milo Tränen in den Augen und umarmte mich ungefähr hundert Mal. Jack wartete in der Küche, während ich meine Sachen zusammenpackte. Ich hatte geglaubt, seine Anwesenheit würde Milo aufheitern, sie bewirkte jedoch eher den gegenteiligen Effekt. Sie erinnerte ihn daran, dass er von nun an nicht nur mich seltener zu Gesicht bekommen würde, sondern auch Jack. Als ich Milo schließlich davon überzeugen konnte, dass wir uns wiedersehen würden, umarmte er mich sicherheitshalber noch einmal fest, bevor ich ging.
» Wir hätten dir auch einfach neue Klamotten kaufen können«, sagte Jack auf der Rückfahrt. » Das wäre wahrscheinlich einfacher und schmerzloser gewesen.«
» Ich weiß, aber für Milo war es wichtig, mich noch einmal zu sehen. Ich musste ihm zeigen, dass ich ihn nicht einfach vergessen werde.« Ich schaute zu Jack hinüber, um zu sehen, ob er meine Gefühle verstand, doch er starrte nur stumm geradeaus. » Und ich werde ihn wiedersehen.«
» Ich habe nichts Gegenteiliges gesagt.« Das stimmte zwar, doch sein Ton schien mir dennoch zu widersprechen.
» Du glaubst nicht, dass ich ihn wiedersehen werde?« Es tat schon weh, diesen Satz laut auszusprechen. » Warum hast du mich Milo etwas versprechen lassen, von dem du wusstest, dass es nicht so sein würde?«
» Ich weiß überhaupt nichts«, sagte
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