Unter dem Vampirmond 01 - Versuchung
fantastisch?«
» Jack«, wies Mae ihn zurecht.
» Es ist keine leichte Entscheidung«, fuhr Ezra fort, und Mae machte ein besonders ernstes Gesicht, was ich nicht ganz verstand, wo sie es doch so liebte, mich um sich zu haben. » Dein ganzes Leben wird sich dadurch verändern, und es ist nicht wieder rückgängig zu machen. Wenn du dich für diesen Weg entscheidest, gibt es kein Zurück. Und wenn du dich dagegen entscheidest, werden wir es dir nicht übelnehmen.«
» Es würde dir das Leben aber schwerer machen«, warf Jack ein.
» Jack!«, fauchte Mae. » Sie muss diese Entscheidung alleine treffen! Du darfst sie darin nicht beeinflussen!«
» Das tue ich doch auch gar nicht!« Jack stöhnte genervt und schüttelte den Kopf.
» Der Durst ist ziemlich überwältigend nach der Verwandlung, wie Jack dir bestätigen wird.« Ezra wies auf Jack, der bedeutungsvoll nickte. » Deine Sinne werden schärfer, und deine Bewegungen fühlen sich übertrieben an. Auch deine Gefühle werden stärker sein. Sie liegen alle ganz nah an der Oberfläche, und du bist viel anfälliger für Gemütsschwankungen. Dein sexuelles Verlangen wächst ebenso wie deine Neugier für alles andere.«
» Es ist beinahe so, als wärst du wieder Kind«, erklärte Jack. » Alles fühlt sich neu an, und du bist ziemlich tollpatschig.«
» Dein Körper muss sich erst an diese neue Daseinsform gewöhnen. Das ist kein leichter Prozess«, fuhr Ezra fort. » Das Schlimmste, womit du am Anfang zu kämpfen hast, ist die Gier nach Blut. Der Hunger, den du jetzt empfindest ist damit nicht im Entferntesten zu vergleichen. Und es ist ein hartes Stück Arbeit, dieses Verlangen unter Kontrolle zu kriegen. Aber wenn du es einmal geschafft hast, ist es eigentlich kein Problem mehr.«
» Dann habt ihr ständig Hunger?«, fragte ich nervös.
» In gewisser Weise«, gab Ezra zu. » Aber er ist nicht sehr intensiv. Wenn es so wäre, hättest du hier wahrscheinlich nicht so lange überlebt.«
» Na danke!« Ich wunderte mich wirklich, wie ich mich bei ihnen so sicher fühlen konnte.
» Das sollte keine Drohung sein.« Ezra lachte. » So ist es eben. Ein Vampir zu sein, ist zum größten Teil ein wundervolles, verblüffendes Geschenk. Doch es gibt zwei Dinge, die man als zweischneidige Schwerter bezeichnen könnte. Das erste ist das Blut«, erklärte Ezra weiter. » Es ist lebensspendend, und das Gefühl, das es dir gibt, ist nicht in Worte zu fassen. Aber wenn du über einen längeren Zeitraum hinweg, sagen wir einige Wochen, keines bekommst, verursacht es dir die entsetzlichsten Schmerzen, die du dir vorstellen kannst. Und bevor du deine Blutlust unter Kontrolle bekommst, kann deine Gier grauenhafte Auswüchse annehmen. Die Blutlust kann ein unermesslicher Genuss sein, doch wenn sie außer Kontrolle gerät, birgt sie zugleich verheerende Gefahren.«
» Das ist gut zu wissen.« Ich schluckte.
» Ich hab es meistens unter Kontrolle, und ich hab eine lausige Selbstbeherrschung«, beschwichtigte Jack.
» Das zweite ist die Unsterblichkeit.« Ezra nahm einen tiefen Atemzug und sah zu Mae hinab, die einen traurigen, entrückten Gesichtsausdruck hatte. Und ich hoffte, mir würde jemand ihre melancholische Stimmung erklären. » Wir sind genau genommen gar nicht unsterblich. Wenn unser Hirn oder unser Herz verletzt wird oder wir zu lange keine Nahrung bekommen, sterben wir. Aber einmal abgesehen vom Angriff eines anderen Vampirs gibt es wirklich nur sehr wenig, was uns gefährlich werden kann. Wir sind deshalb äußerst zurückhaltend damit, andere in Vampire zu verwandeln. Glaube deshalb bitte nicht, unser Angebot sei etwas Alltägliches.«
Ich fühlte mich geehrt. Ich hatte, ehrlich gesagt, nie daran gedacht, dass es unter den Vampiren so etwas wie eine begrenzte Mitgliederschaft geben könne, aber es war auf jeden Fall sehr schmeichelhaft, überhaupt von ihnen in Erwägung gezogen zu werden.
» Aber diese Unsterblichkeit hat einen sehr hohen Preis«, fuhr Ezra in ernstem Ton fort. » Alles um dich herum wird sterben. Sogar diese Stadt, sie wird sich verändern, und Dinge, die du lieb gewonnen hast und die dir wichtig sind, werden zerstört werden. Du wirst alles überdauern. Und das ist eine größere Bürde, als du es dir vorstellen kannst.«
» Heißt das, dass ich meinen Bruder nicht mehr sehen darf? Oder nur, dass es schmerzvoll sein wird, ihn altern zu sehen?« Meine Stimme war dünn und zittrig, und auch meine Hände hatten angefangen zu zittern.
Ezra
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