Unter dem Vampirmond 02 - Verfuehrung
hinaus in die Nacht. Nach meiner Verwandlung, als ich kräftig genug war, versuchte ich, ihn zu töten oder zumindest dazu zu bringen, dass er mich gehen ließ. Es gelang mir nicht. Er erklärte, er brauche einen Arbeiter und Begleiter und ich sei genau der Richtige für ihn.
Ich habe weiter gegen ihn aufbegehrt, bis er es leid war und mich in den Keller seiner Burg sperrte. Drei Wochen ließ er mich hungern. Da ich noch ein junger Vampir war, wurde ich halb wahnsinnig. « Ezras Gesicht war zu einer ausdruckslosen Maske erstarrt. » Dann brachte er mich zu meinem alten Zuhause und ließ mich gehen.
In meinem verzweifelten Hunger biss ich meine Frau. Meinen Kindern gelang die Flucht, ehe ich sie mir schnappen konnte, doch vorher mussten sie mit ansehen, wie ich ihre Mutter umbrachte. Als mir klar wurde, was ich getan hatte, kehrte ich zu Willem zurück. « Ezras Blick wurde leer, als versuche er, diese Erinnerung auszulöschen. » Ich ließ mich von ihm zum Sklaven machen, unter der Bedingung, dass er mich nie gehen ließe. Ich traute dem Monster nicht, das aus mir geworden war, wusste aber auch nicht, wie ich mich selbst zerstören sollte.
Im Lauf der Zeit brachte Willem weitere Vampire mit, die er auf dieselbe Art und aus demselben Grund verwandelt hatte wie mich. Sie sollten mir bei der Arbeit helfen. Er baute sein Schloss aus und ging viel auf Reisen, denn er schätzte den Luxus und den Müßiggang. Ich erledigte alles für ihn, sogar Aufträge, die eigentlich undenkbar waren. « Er unterdrückte einen Schauder.
» Die anderen Vampire waren total chaotisch « , fuhr Ezra fort. » Sie waren tollwütige Monster, und es dauerte nie lange, bis sie zerstört werden mussten. Da sie keinerlei Führung hatten, blieben sie in einer Art Rohzustand und ließen sich ausschließlich von ihrem Hunger und ihren Instinkten leiten. Sie waren ständig angekettet, damit sie sich selbst und den anderen Vampiren nichts antun konnten.
Nur ich schien mir etwas Menschliches bewahrt zu haben. Ich blieb fast hundert Jahre bei Willem und reiste mit ihm durch Europa und Asien. Die meisten anderen Vampire, denen wir begegneten, hatten sich einigermaßen im Griff. Viele neigten wie Willem zur Gefühlskälte und Grausamkeit, waren aber mit den Ungeheuern in Willems Diensten nicht zu vergleichen. Hin und wieder zeigte sich ein anderer Vampir überrascht, dass es Willem gelungen war, einen so zivilisierten Sklaven wie mich zu erschaffen. Da erst wurde mir klar, dass ich anders war als sie. Was ich mit meiner Frau getan hatte, war eine unmittelbare Folge der Verwandlung gewesen. Doch mittlerweile hatte ich mich im Griff und weinte um meine Frau und meine Kinder. Ich war kein Monster, obwohl ich mich durchaus wie eins benehmen konnte, wenn ich es zuließ. « Er stieß den Atem aus und sah mich einen Augenblick an.
» Wie ist es dann weitergegangen? « , fragte ich, da er schwieg.
» Eines Nachts tötete ich Willem und begann ein eigenes Leben « , sagte Ezra. » Durch ihn hatte ich Vampire kennengelernt, die die seltene Gabe des Mitgefühls besaßen. Von ihnen erfuhr ich viel über mich und andere Vampire. Sie waren beeindruckt, dass ich ohne Anleitung so weit gekommen war. Wenn man zum Vampir wird, folgt man allzu leicht seinen Gefühlen und Instinkten. Dieser Kampf dauert Jahre. Man kann ihn nur gewinnen, wenn einem ein anderer Vampir zur Seite steht. «
» Ich weiß, wie schwierig das alles für dich war « , sagte Jack, schüttelte dann aber den Kopf. » Na gut, nein, ich weiß es nicht. Ich kann mir nicht annähernd vorstellen, was du durchgemacht hast. Aber was du erlebt hast, ist völlig anders als das, was hier gerade geschieht. Niemand wird Milo oder Alice in den Keller werfen und sich selbst überlassen. «
» Ich bin aber nicht bereit, dieses Risiko einzugehen « , sagte Ezra. » Ich habe Vampire gesehen, die ihren eigenen Arm angenagt haben, weil sie tagelang nichts zu trinken bekommen haben. Ich habe erlebt, wie sie Kinder abgeschlachtet haben. Alice und Milo werden wahrscheinlich nie so barbarisch sein, aber sie könnten werden wie Willem. Er hatte sich völlig im Griff, aber er war grausam und gnadenlos. «
» Glaubst du nicht, dass Willem schon vor seiner Verwandlung so war? « , fragte Jack. » Ich meine, Mae war liebevoll und hatte Mutterinstinkte, ehe sie verwandelt wurde, und so ist sie noch heute. Und ich war ein tollpatschiger Idiot und bin es heute noch. Milo und Alice sind weder tyrannisch noch bösartig. «
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