Unter dem Vampirmond 02 - Verfuehrung
Hals gegen seinen Mund gepresst. Sein Gesicht sah ich nicht, dafür aber eine Blutspur, die ihm aus dem Mundwinkel lief.
» Okay, Milo, das reicht. « Meine Stimme klang ungewohnt hoch.
Ich war schon gebissen worden, doch es war etwas völlig anderes, einem Vampir zuzusehen, wie er jemand anderen beißt. Es war schrecklich und widerlich.
Als ich Milo beobachtete, wurde mir zum ersten Mal richtig bewusst, dass Vampire keine Menschen sind. Sie mochten aussehen wie Menschen, doch das da – mein Bruder –, das sich von Jane ernährte, war ein Tier und nichts anderes.
» Milo! Hör auf! « , wiederholte ich. Janes Lider zitterten, ihr Atem wurde schwächer. Sie verlor das Bewusstsein, und es würde nicht mehr lange dauern, dann wäre sie tot. » Milo! Du bringst sie um! Hör auf! «
Da er nicht von ihr abließ, musste ich etwas unternehmen, und wenn ich noch so viel Angst hatte. Nervös und fast sanft klopfte ich ihm auf die Schulter. Ich fürchtete, dass er wie ein Wolf nach mir schnappen würde. Doch er schien mich gar nicht zu bemerken. Ich gab ihm einen weiteren Klaps, diesmal stärker, und schlug ihn dann wieder und wieder, bis er Jane endlich losließ und zurück in seinen Sitz sank.
Jane kippte nach hinten und schlug mit dem Kopf auf den Boden. Sie stöhnte leise. Milo hatte die Augen geschlossen und wirkte wie jemand, der auf einem herrlichen Trip ist.
Geistesabwesend wischte er sich mit dem Handrücken das Blut vom Kinn und murmelte etwas Unverständliches vor sich hin. Seine Gesichtszüge wirkten sanft, jünger. Er hatte den Kopf zur Seite gelegt, sodass er mir zugewandt war, war jedoch nicht richtig bei Bewusstsein.
» Jane? « Ich beugte mich über sie und gab ihr einen leichten Schlag auf die Wange, um sie aufzuwecken. Die Bisswunde an ihrem Hals war leicht geschwollen und rosa, heilte also bereits. Nach einem weiteren Schlag drehte sie lediglich den Kopf.
» Jane? Geht es dir gut? Kannst du mich hören? Jane? « Schlapp schlug sie nach meiner Hand und versuchte sie wegzustoßen.
Ich setzte mich wieder auf und presste den Rücken gegen das kalte Fenster. Da endlich kamen die Tränen. Zwei Vampire hatten mich fast umgebracht. Die Kratzer, die Jane und ich davongetragen hatten, bewiesen, dass es Violet fast gelungen wäre, uns in dieser Nacht zu kidnappen. Nachdem wir das überlebt hatten, hatte mein Bruder Jane ausgesaugt. Da beide bewusstlos waren, hielt ich als Einzige Wache in einem Auto, das mitten in der Nacht hinter einer Tankstelle abgestellt war.
Und noch hatten wir keine Ahnung, was aus Lucian und Violet geworden war.
» Alice, Alice … « , murmelte Milo, ohne die Augen zu öffnen. » Weine nicht. Wir sind … « Seine Stimme erstarb, und er streckte die Hand nach mir aus. Ehe er mich berührte, ließ er sie wieder sinken.
Kapitel 20
Als mein Handy vibrierte, schluchzte ich immer noch. Milo und Jane waren noch nicht wieder bei Bewusstsein. Der Motor lief, und die eisige Luft der Klimaanlage umwehte mich. Ich hatte Blut verloren, war schrecklich durstig und stand unter Schock.
Da mein Körper so bebte, nahm ich das Vibrieren des Handys erst gar nicht wahr. Dann nahm ich das Gespräch zittrig entgegen.
» Hallo? « Ich bemühte mich, nicht völlig hysterisch zu klingen.
» Alice? « , sagte Jack, der seinerseits fast panisch klang. Ich hörte Geräusche im Hintergrund, Gespräche und eine Art Ansage. » Geht es dir gut? Was ist los? Was ist passiert? Ich habe es öfter probiert. Warum bist du nicht ans Handy gegangen? «
» Mir geht es gut « , schniefte ich. » Ich habe das Handy nicht gehört. Kommst du nach Hause? «
» Ja, ja. Wir sind am Flughafen « , sagte Jack. Das erklärte die Geräusche. Ich hörte Ezra etwas fragen. » Was ist passiert? Als ich dich nicht erreichen konnte, hat es Ezra bei Mae probiert, und sie sagte, Milo sei bei dir zu Hause. Geht es ihm gut? Hat er etwas ausgefressen? «
» Nein, nein. « Ich nahm einen tiefen Atemzug, um nicht wieder in Tränen auszubrechen. » Milo wollte mit mir ausgehen und hat Jane eine SMS geschickt … «
» Jane schon wieder « , schimpfte Jack. » Ich hätte mir ja denken können, dass sie ihre Finger im Spiel hat. «
» Sie hat mir heute Abend das Leben gerettet, Jack! « , setzte ich mich zur Wehr.
Ich hatte mich Jane nie näher gefühlt als an diesem Abend. Wie ich sie so neben mir liegen sah, bewusstlos, verblassende rote Bissmale am Hals, wusste ich, dass sie sich wirklich etwas aus mir machte. Sie hatte ihr Leben
Weitere Kostenlose Bücher