Unter dem Vampirmond 04 - Schicksal
Und es missfiel mir auch bei anderen Vampiren, wenn sie Menschen dazu missbrauchten, sich mit ihrem Blut zu betrinken.
Als ich mich schon zum Gehen gewandt hatte, hörte ich Olivia meinen Namen rufen. Sie lag ausgestreckt auf einem künstlichen Bärenfell auf der gegenüberliegenden Seite des Raums. Und als sie sich erhob, um mich aufzuhalten, wäre sie beinahe über einen ihrer Gäste gestolpert.
» Alice! Ich habe auf dich gewartet!« Als sie mich begrüßte, machte sie nicht den Eindruck, betrunken zu sein, sonst wäre ich sofort gegangen.
» Ja, das sehe ich.« Ich warf einen missbilligenden Blick in den Raum.
» Ich hätte dich angerufen, aber du weißt ja, was ich von Handys halte.« Olivia winkte verächtlich ab. » Ich habe einen neuen Trainer für dich gefunden.«
» Kannst du ihn mir nicht morgen vorstellen?«, fragte ich.
Es roch nach frischem Blut, und aus dem Augenwinkel heraus sah ich, wie ein Vampir einem Typen in den Hals biss.
» Wenn du doch schon da bist.« Olivia legte ihre Hand auf meinen Arm und ich gab seufzend nach. » Komm, wir gehen aufs Dach.«
Während wir die Treppe hinaufstiegen, pfiff Olivia die Melodie von Freude, schöner Götterfunken vor sich hin. Oben angekommen stieß sie die Tür auf und ein Schwall eisiger Winterluft blies uns entgegen. Am Rand des Dachs stand Violet und genoss die Aussicht.
» Was macht die denn hier oben?« Ich blieb wie angewurzelt stehen.
» Sie wird dich trainieren«, sagte Olivia lächelnd.
» Sie kann nicht …« Ich wollte Olivia beiseitenehmen, aber Violet hatte uns bereits entdeckt. » Das ist doch absurd, Olivia.«
» Unsinn«, tat Olivia meine Bedenken ab. » Ich habe mich mit Violet unterhalten. Sie musste sich auf der Straße durchschlagen. Wir haben heute probeweise gegeneinander gekämpft: Sie ist wirklich gut. Sie wird dir einen Vorgeschmack davon geben, was es heißt, gegen einen wirklichen Vampir zu kämpfen.«
» Aber Olivia …«, hob ich an, doch sie schnitt mir das Wort ab.
» Ich kann dir nichts mehr beibringen«, sagte sie schlicht.
» Ich weiß, ich wollte trainieren, aber ich brauche keine Hilfe.« Ich sah, wie Violet am Rand der Dachterrasse entlanglief und einen langen Metallstab aufhob, wahrscheinlich das Stück einer alten Antenne.
» Oh, Schätzchen, natürlich brauchst du Hilfe.« Olivia berührte meinen Arm. » Du hast etwas Anziehendes an dir, das ich schon bei anderen Vampiren bemerkt habe. Das wird dich immer wieder in Schwierigkeiten bringen.«
» Etwas Anziehendes? Was soll das heißen?«, fragte ich.
» Das hat etwas mit deinem Blut zu tun. Was genau, weiß ich nicht. Aber ich verstehe auch nicht viel davon.« Sie blickte auf die Skyline der Stadt. » Es ist, als wärst du eine Lichtquelle und die anderen Vampire sind Nachtfalter. Nicht jeder wird gleich stark von dir angezogen, aber wir spüren es alle in gewisser Weise.«
» Wovon redest du nur?«, fragte ich zunehmend verwirrt.
» Klingt, als seist du bereit für einen Kampf«, sagte Violet grinsend und schwang den Metallstab über der Schulter wie ein Ninja-Kämpfer seinen Langstock.
» Nein, das bin ich nicht«, sagte ich kopfschüttelnd. » Ich möchte nur wissen, wovon sie spricht.«
» Trainiere mit ihr.« Olivia sah mich ernst an. » Sie ist besser als ich.«
» Bist du bereit?«, fragte Violet, obwohl ich es ganz offensichtlich nicht war.
Olivia ging zur Treppe zurück. Und als ich ihr folgen wollte, tauchte Violet plötzlich neben mir auf und ließ den Metallstab gefährlich nah vor mir niedersausen.
» Was zum Teufel soll das?«, rief ich empört.
» Ich möchte sehen, was du kannst.« Sie zuckte mit den Schultern und schwang den Stab erneut. Ich wich dem Hieb wie beim Limbo aus, sodass er um Haaresbreite mein Kinn verfehlte. » Gute Reaktion.«
Ich hörte die Tür zufallen und sah mich um. Olivia war nach unten gegangen. Violet nutzte meine Unaufmerksamkeit und versetzte mir mit dem Metallstab einen heftigen Hieb gegen den Kopf.
» Pass auf«, befahl sie.
Ich spürte einen starken Schmerz und gleich darauf das Kribbeln der heilenden Platzwunde. Wutentbrannt stürzte ich mich auf sie. Ich wollte kein Training mehr. Ich wollte wissen, was Olivia gemeint hatte. Ich traute Violet nicht. Im Gegenteil: Ich neigte dazu, Leute zu hassen, die mir ohne Vorwarnung auf den Kopf schlugen.
Violet wich meinem Angriff problemlos aus. Ich hatte Vampire gesehen, die sich schneller bewegten als sie, wie etwa der Lykan Stellan, dessen Schnelligkeit
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