Unter dem Vampirmond 04 - Schicksal
nicht, was wir heute machen, oder?«, fragte Bobby besorgt.
» Natürlich nicht. Es gibt momentan auch so schon genug Zündstoff zwischen uns«, sagte ich.
» Warum macht er sich überhaupt so große Sorgen?«
» Keine Ahnung.« Ich zuckte mit den Schultern. » Schließlich kann ich mich mittlerweile ziemlich gut verteidigen.«
» Wie tötet man eigentlich einen Vampir?«, fragte Bobby.
» Na ja, wir sind nicht wirklich unsterblich«, antwortete ich und erklärte ihm, was ich einst von Ezra erfahren hatte. » Dass wir Vampire sind, verdanken wir im Grunde genommen einem Virus, der den Alterungsprozess stoppt und die Heilung fördert. Unsere Knochen sind zwar widerstandsfähiger, aber nicht unzerstörbar. Und weil wir schließlich von einem menschlichen Körper abstammen, können wir nicht ohne ein Gehirn oder ein Herz funktionieren.«
» Dann stimmt das mit dem Pfahl durchs Herz also?«, fragte Bobby mit hochgezogener Augenbraue.
» Na klar, wenn du mit einem Stück Holz die Rippen durchstoßen kannst. Aber das bezweifle ich«, antwortete ich. » Wenn es dir jedenfalls gelingt, unser Herz oder Gehirn zu zerstören, sind wir tot.«
» Gut zu wissen«, sagte Bobby.
Ich fuhr rechts ran und sah zu dem luxuriösen Apartmentkomplex hinauf, der vor uns aufragte. Ich nahm einen tiefen Atemzug. » Okay, da wären wir.«
Der Himmel war bedeckt und der Tag entsprechend trüb. Die Sonne war schon fast untergegangen, und als wir aus dem Auto ausstiegen, gingen die Straßenlaternen an. Der Anblick des Gebäudes, das ich seit Monaten nicht mehr gesehen hatte, rief eine seltsame Nostalgie in mir hervor.
» Wo hat sie gewohnt?«, fragte Bobby.
» Im fünften Stock.« Ich zeigte zum Gebäude hinauf, obwohl wir von hier aus nichts erkennen konnten.
» Was hast du vor?« Eine eisige Windböe fegte über uns hinweg und Bobby vergrub die Hände tief in seinen Jackentaschen.
» Wir gehen hinein, würde ich sagen.«
Wir gingen zum Eingang des Gebäudes hinüber, wo uns der Portier hereinließ. Ich hatte Jane schon lange nicht mehr zu Hause besucht, weshalb mich der Portier auch nicht wiedererkannte. Es war überhaupt lange her, dass ich irgendetwas mit Jane unternommen hatte.
» Wen darf ich bei Mr Kress anmelden?« Der Portier war hinter seinen Empfangstisch gegangen und hatte den Hörer abgenommen. Er brauchte das Einverständnis von Janes Dad, bevor er uns hinauflassen durfte, und ich fragte mich, ob er es bekommen würde.
» Ähm, Alice Bonham. Ich bin eine Freundin von Jane«, antwortete ich.
» Verstehe.« Der Portier sah mich einen Augenblick seltsam an, dann wählte er. » Mr Kress, hier ist eine Alice Bonham für Sie. Sie sagt, sie sei eine …« Er verstummte einen Moment. » Sehr wohl, Sir.« Der Portier legte den Hörer auf und lächelte. » Gehen Sie ruhig hinauf. Er hat Sie bereits erwartet.«
» Danke«, sagte ich mit einem zaghaften Lächeln und ging zum Aufzug.
» Er hat dich erwartet?«, flüsterte Bobby, der mir hinterhergeeilt war.
» Offensichtlich.« Als ich den Aufzug betrat, atmete ich tief durch und versuchte, meine Nervosität zu überwinden.
» Was bedeutet das?«, fragte Bobby, und ich zuckte mit den Schultern. » Mag dich Janes Vater?«
» Ich weiß es nicht. Ehrlich gesagt bin ich mir nicht einmal sicher, wie sehr er Jane mochte«, sagte ich.
» Na, dann kann das hier ja heiter werden.«
Ich hatte gehofft, Janes Vater sei nicht zu Hause. Das war einer der Gründe gewesen, weshalb ich diese Uhrzeit gewählt hatte. Mr Kress blieb normalerweise bis spät abends im Büro, und ich hatte angenommen, dass er noch in der Arbeit war. Ich wollte mich aus dem Haus schleichen, bevor Jack aufwachte und Milo von der Schule nach Hause kam und gleichzeitig vermeiden, Mr Kress zu begegnen.
Ich hatte auf der Beerdigung weder mit ihm noch mit Janes Stiefmutter Blythe gesprochen, die ich eigentlich ganz gut leiden konnte. Sogar als Jane und ich noch enge Freundinnen waren, hasste ich es, bei ihr zu Abend zu essen. Die Unterhaltung bei Tisch war immer sehr gezwungen und hochtrabend gewesen, denn ihr Vater hatte etwas seltsam Einschüchterndes an sich.
Bevor ich klopfen konnte, öffnete die Haushälterin bereits die Tür. Es war nicht dieselbe wie bei meinem letzten Besuch, und ich fragte mich, wie lange es wohl genau her war, seit ich Jane das letzte Mal hier besucht hatte.
Das Apartment wirkte noch genauso herrschaftlich wie früher. Es war nicht nur groß, sondern strotzte auch vor Luxus. Alles sah
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