Unter dem Vampirmond 04 - Schicksal
überhaupt irgendeines dieser Bücher?«, fragte Milo, ohne von dem Jurabuch aufzuschauen, das er aufgeschlagen hatte.
» Ich habe darin gelesen, ja.« Ich ließ mich hinter Milo auf die Couch fallen. » Heute noch nicht, weil ich beschäftigt war.« Ich beugte mich über ihn und nahm ihm das Buch aus der Hand.
» Wie war das Training?«, fragte Milo und drehte sich zu mir um.
Bobby setzte sich neben ihn auf den Boden und kuschelte sich an ihn, was mir nur recht war. Denn wenn Bobby ihn mit seinen Liebkosungen ablenkte, war es weniger wahrscheinlich, dass Milo mir wegen meiner Schulaufgaben eine Standpauke hielt oder uns über heute Nacht ausfragte.
» Gut«, antwortete ich schulterzuckend und blätterte in dem Buch.
» Hast du Bobby ordentlich in den Hintern getreten?«, fragte Jack, immer noch auf sein Videospiel konzentriert.
» Nee, Bobby hat nicht viel gemacht«, sagte ich. » Er war zu sehr damit beschäftigt, Batman zu spielen.«
» Wenn es Batman wirklich gäbe, wäre das da oben der ideale Ort für ihn! Dieses Gebäude sieht aus wie Bruce Waynes Hauptquartier!«
» Du lenkst nur ab, weil du nicht kämpfen kannst.« Jack wandte sich von seinem Spiel ab und lachte ihn an.
» Das musst du gerade sagen!«, spottete Milo zurück. » Weil du ja der große Kämpfer bist.«
» Ich kann kämpfen.« Als Milo und Bobby lauthals zu lachen begannen, hielt Jack das Spiel an und drehte sich zu uns um. » Glaubt ihr im Ernst, ich könne nicht kämpfen?«
» Wir haben dich gesehen, Jack«, grinste Milo. » Wir wissen, dass du nicht kämpfen kannst.«
» Oh, na warte! Dir zeig ich’s!« Jack schaltete die Xbox aus, stand auf und warf den Controller auf den Stuhl. » Lust zu kämpfen, kleiner Mann?«
» Meinst du das ernst?« Milo zog eine Augenbraue hoch.
» Na klar! Gleich kannst du was erleben!« Jack deutete in einer lächerlich überheblichen Geste auf seine Brust, wobei er sich selbst das Lachen verkneifen musste.
» Hör auf mit dem Unsinn, Jack. Das ist nichts für dich«, sagte ich.
» Komm schon.« Jack grinste Milo an. » Lass uns das machen.«
» Okay.« Milo zuckte mit den Schultern und stand auf. Ich verdrehte die Augen.
Während Jack leichtfüßig, den Kopf hin- und herwiegend, durchs Zimmer tänzelte, als sei er Muhammad Ali, räumte Milo grinsend die Möbel beiseite, um für den Kampf Platz zu schaffen.
» Bobby, du gehst besser hier weg«, sagte ich und blätterte eine Seite meines Jurabuches um, in dem ich nur wenig konzentriert las.
Bobby folgte meinem Rat und setzte sich neben mich auf die Couch. Ich konnte mir nicht erklären, warum Milo und Jack plötzlich kämpfen wollten. Sie hatten beide nie zu der Art von Jungs gehört, die zum Spaß kämpften.
Sie fixierten sich, grinsend wie Idioten. Keiner von beiden wusste, wie er den Kampf beginnen sollte. Jedes Mal wenn sie bisher hatten kämpfen müssen, waren sie von anderen angegriffen worden.
» Bist du bereit?«, fragte Milo und musste sich beherrschen, um nicht loszulachen.
» Ich bin von Geburt aus bereit!«, erklärte Jack großspurig.
Milo stürzte sich halbherzig auf Jack. Der wich ihm aus und stellte ihm ein Bein. Doch Milo fand sein Gleichgewicht wieder, bevor er nur ins Straucheln geriet, und schlug Jack in einer Drehung die Beine unterm Körper weg.
Jack landete mit einem Schlag auf dem Boden und lächelte ein wenig überrascht zu Milo hinauf. Matilda bellte und wedelte mit dem Schwanz. Weil ich nicht wollte, dass sie bei der Schlägerei verletzt wurde, stand ich auf und ließ sie auf die Terrasse hinaus.
Auf dem Weg zurück ins Wohnzimmer hörte ich einen fürchterlichen Krach. Als ich eintrat, lag Jack, alle viere von sich gestreckt, auf den Bruchstücken eines Stuhls. Das Bild, das hinter ihm an der Wand hing, war zu Boden gefallen und der Rahmen zerbrochen. Milo stand auf der gegenüberliegenden Seite des Zimmers und schien ziemlich stolz auf sich zu sein.
» Jungs! Mae wird so …« Ich sprach den Satz nicht zu Ende. Mae wohnte nicht mehr hier. Also konnte sie auch nicht mehr wütend werden, wenn wir etwas kaputt machten.
» Bist du okay?«, fragte Bobby besorgt und stand vom Sofa auf, um Jack zu helfen.
» Ja, alles bestens.« Jack schüttelte den Kopf, um wieder klar zu werden, wobei ein paar Glasscherben aus seinem Haar fielen.
Ich ging an Jack vorbei, um das Bild aufzuheben. Ich sah darin nur eine Ansammlung von Schnörkeln und Linien, doch sicher war es ein unbezahlbares Stück Kunst, das es zu retten galt.
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