Unter dem Vampirmond 04 - Schicksal
ein sauberer, unspektakulärer Tod.« Er sah mich erneut an. » Kein Blut. Nichts. Um Aufmerksamkeit zu erregen, brauchte er einen brutalen Mord.«
Ich dachte an das Zeitungsfoto des Fundorts, all die Flecken von Janes Blut auf dem Gehsteig, und mir drehte sich der Magen um.
» Aber warum?« Ich starrte auf den kleinen orientalischen Teppich auf dem Boden. » Warum sollte er das wollen? Warum sollte irgendjemand so etwas wollen?«
» Ich habe keine Ahnung.« Ezra sah mich besorgt an und legte sanft die Hand auf mein Knie. » Bist du okay? Ich wollte dich damit nicht traurig machen. Vielleicht hätte ich …«
» Nein, nein. Ich bin dir dankbar, dass du es mir gesagt hast«, beruhigte ich ihn mit einem matten Lächeln. » Ich musste es wissen. Ich bin okay.«
» Ich hätte dir das nicht erzählen sollen. Ich weiß das alles schon seit ein paar Tagen und habe mich lange gefragt, ob ich es dir sagen soll oder nicht.« Er kaute auf der Innenseite seiner Wange herum und seine Augen sahen in weite Ferne. Die Hand auf meinem Knie wurde schwerer. » Du darfst ihn nicht alleine jagen, hast du verstanden?«
» Ja, natürlich nicht«, sagte ich und überlegte mir insgeheim, ob Ezra Bobby als Verstärkung akzeptieren würde.
» Mach so viele Nachforschungen, wie du willst, aber wenn du ihm auf die Schliche gekommen bist, ruf mich an!« Er sah mir tief in die Augen, und sein Gesichtsausdruck war dabei so ernst, dass ich nur stumm nicken konnte. » Du kannst es nicht alleine mit ihm aufnehmen. Er ist ein Vampir ohne Gewissen. Und wir haben keine Ahnung, was seine Motive sind. Das macht ihn zu einem sehr gefährlichen Gegner.«
» Ich verstehe.« Als er sich abwandte und sich seine Hand auf meinem Knie entspannte, atmete ich tief aus.
» Ich hätte das nicht einmal für dich recherchieren sollen.« Er lehnte sich in seinen Stuhl zurück, den Kopf an die Rückenlehne gestützt, und drehte mit dem Stuhl langsam hin und her.
» Warum hast du es getan?«, fragte ich. » Ich meine, danke. Ich weiß das wirklich zu schätzen. Aber ich hätte nicht erwartet, dass du es tatsächlich tun würdest.«
» Ich weiß es nicht.« Er schwieg einen Augenblick. » Ich brauchte einen Grund, um mal rauszukommen. Und dir bei deiner Suche zu helfen, schien eine sinnvolle Möglichkeit.«
» Oh.« Mir wurde plötzlich bewusst, dass ich in letzter Zeit nicht viel mit ihm gesprochen hatte, und noch kein einziges Mal, seit Mae zurück war. » Wie geht es dir, nach allem, was passiert ist?«
» Ich habe schon Schlimmeres durchgemacht.« Er lächelte, was den Schmerz in seinen Augen aber nicht verbergen konnte. Er musste das bemerkt haben, denn er wandte sich wieder dem Bildschirm zu.
» Hast du seit eurem ersten Gespräch nach ihrer Ankunft noch einmal mit Mae geredet?«, fragte ich. Ezra schüttelte den Kopf. » Warum nicht?«
» Alice, du weißt genau, warum«, stöhnte er und klickte nervös auf dem Bildschirm herum, das Drachenbrandmal auf dem Arm des Mädchens ein- und auszoomend. » Ich hatte ihr nichts zu sagen, als sie weg war, und daran hat auch ihre Anwesenheit nichts geändert.«
» Sie ist deine Frau, Ezra.«
» Mir ist vollkommen klar, wer sie ist.« Seine Stimme klang abgehackt, und als die Maus nicht das tat, was er wollte, knallte er sie wütend auf den Tisch. » Dieses verdammte Ding funktioniert nie.«
» Dein Computer kann nichts dafür, dass du auf Mae wütend bist«, sagte ich.
» Ich bin nicht wütend auf sie. Momentan bin ich einfach nur genervt von dieser Unterhaltung.« Er sah mich vorwurfsvoll an, doch ich ließ mich nicht beirren.
» Warum gehst du nicht mit ihr?«
» Um in einem Abwasserkanal zu hausen?«, spottete Ezra. » Nein. Sie kann mit dem Kind vergnügt bis in alle Ewigkeit wie eine Kanalratte leben. Dazu brauchen sie mich nicht.«
» Rede nicht so verbittert.« Ich hätte ihm gerne meine Hand auf die Schulter gelegt, wusste aber nicht, wie er darauf reagieren würde. » Ich verstehe, dass du wütend und verletzt und traurig bist und dass du sie immer noch liebst, aber … du darfst deshalb nicht verbittern.«
Er ließ die Schultern hängen und sein Gesichtsausdruck wurde milder. Er drehte mir den Kopf zu, ohne jedoch zu mir aufzuschauen.
» Ich habe nicht gelogen, Alice. Ich habe schon Schlimmeres durchgemacht und ich werde auch das hier überstehen. Ich weiß deine Besorgnis aber zu schätzen.«
» Kein Problem.«
Ezra starrte wieder auf den Bildschirm, womit unsere Unterhaltung beendet schien.
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