Unter dem Vampirmond 3 - Verlangen
mit Matilda im trockenen Laub herum. Dünne Wolken zogen über den Vollmond. Ich ging durch die Balkontür hinaus in die angenehme Kälte, atmete tief ein und hoffte, dass die frische Luft die Erinnerung an Maes Tränen und die schrecklichen Bilder von Jane in dem abgedunkelten Raum des V wegwischen würde.
Jack grinste, als er mich sah, und stand aus einem Laubhaufen auf, den der Hund und er zerstört hatten. Matilda, der Zweige und Blätter im Fell hingen, rannte mit einem großen Stock im Maul über den Rasen. Jack fuhr sich mit der Hand durch die Haare, um ein paar Blätter zu entfernen, und gesellte sich zu mir.
»Wie geht’s?«, fragte er.
»Super.« Ich übertrieb, doch mir ging es tatsächlich schon viel besser.
»Sicher?« Er sah mich ernsthaft an, und ich pickte ihm ein Blatt vom T-Shirt. Seine nackten Arme waren schmutzig und kalt, doch er schien es gar nicht zu bemerken.
»Klar. Mae ist diejenige, die eine harte Nacht hinter sich hat, nicht ich«, sagte ich.
»Wie geht es ihr?« Er sah an mir vorbei zum Haus.
»Ich weiß es wirklich nicht«, gab ich zu. »Ezra hat sie wieder in ihr Zimmer gebracht, damit sie sich ausruht, aber ...« Ich wusste nicht weiter und zuckte die Schultern.
»Es tut mir leid, dass wir Jane nicht helfen konnten«, sagte er.
»Mir auch, aber du hast recht. Sie muss sich selbst helfen wollen, und das wird wahrscheinlich nie passieren«, seufzte ich und rubbelte mir die Arme, obwohl sie eigentlich noch gar nicht kalt waren.
»Es war eine furchtbar lange Nacht. Du legst dich vielleicht auch besser schlafen.«
»Das stimmt.« Für mich war es noch relativ früh, um ins Bett zu gehen, aber seit unserer Finnlandreise hatte ich nie richtig ausgeschlafen. Ich gähnte und dachte sehnsüchtig an mein warmes Bett.
»Hättest du gern Gesellschaft?«, fragte Jack und hob und senkte vielsagend die Augenbrauen.
»Das weißt du doch.« Ich knabberte mir auf den Lippen herum. Ich wollte Jack immer bei mir haben, insbesondere nach dem, was am frühen Abend geschehen war. »Aber es ist wahrscheinlich besser, wenn wir das lassen. Ich bezweifle, dass ich mich heute genügend im Griff habe.«
»Stimmt auch wieder«, sagte er und lächelte ein wenig traurig. »Dann geh nur rein und leg dich schon mal hin. Ich komme vielleicht später noch mal rein und hole mir ein paar Kleider. Aber erst muss ich den Hund sauber machen, dann kann ich duschen und mich auf dem Sofa aufs Ohr legen.«
»Ich habe ein schlechtes Gewissen, dass ich dich aus deinem Bett verbanne«, sagte ich zum tausendsten Mal, seit ich bei ihm eingezogen war.
»Alice, ich bin doch schließlich ein Gentleman. Ich könnte nicht schlafen, wenn ich nicht wüsste, dass du es wirklich bequem hast.« Er beugte sich zu mir herunter und küsste mich. Seine Lippen waren kühl und der Kuss war zu kurz. Trotzdem hatte sich meine Haut erwärmt, als er sich wieder aufrichtete. »Geh schon ins Bett. Wir sehen uns später.«
Widerstrebend drehte ich mich um und ging ins Haus. Matilda rannte mir hinterher und wollte schon durch die Balkontür schlüpfen, doch Jack rief sie zurück. Ihre großen weißen Pfoten waren voll von dem eisigen Matsch rund um den See und in ihrem Fell hingen Blätter und Zweige. Ich fragte mich, wie Jack sie sauber bekommen wollte.
Ich sah den beiden noch eine Minute zu, ehe ich nach oben ging. Matilda sprang vergnügt über Laubhaufen, gefolgt von Jack, der lachte und sie anfeuerte. Er war schmutzig und ruinierte sich die Kleider, doch da er so viel Spaß mit seinem Hund hatte, merkte er das gar nicht. Es war seltsam, aber genau wegen dieser Kleinigkeiten liebte ich ihn so, und ich bekam Herzklopfen bei seinem Anblick. Ich ging schnell nach oben, ehe ich meine Meinung änderte und ihn doch noch zu mir einlud.
Ich war bereits mitten in einem Albtraum über Krokodile, die kleine Kätzchen jagten, als Jack ins Zimmer kam und mir einen Kuss gab. Ich drehte mich um und fragte ihn, ob er sich nicht zu mir legen wolle, doch er lehnte das Angebot aus mir unerfindlichen Gründen ab. Wahrscheinlich lieferte er mir eine Begründung, doch kaum waren die Worte aus seinem Mund, schlief ich schon wieder tief und fest. Zum Glück gelang es mir noch, die Kätzchen vor den Krokodilen in Sicherheit zu bringen.
Als ich wieder aufwachte, fiel mir ein, dass sich Jack von mir verabschiedet hatte. Er hatte nicht »Gute Nacht« oder »Bis morgen früh« gesagt, sondern »Auf Wiedersehen«, das für meinen Geschmack allzu endgültig
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