Unter dem Vampirmond 3 - Verlangen
nennen dich Bobby. Ist das nicht ein Name für einen kleinen Jungen?« Ich rümpfte die Nase und er lachte.
»Die Leute haben Robert Kennedy sein Leben lang Bobby genannt.«
»Und sieh nur, was aus ihm geworden ist«, entgegnete ich in Anspielung auf Bobby Kennedys frühe Ermordung.
»Mag sein. Aber ich heiße wirklich Bobby, nicht Robert oder Bob oder so«, sagte er achselzuckend. »Das ist mein rechtmäßiger Name.«
»War deine Mutter ein Hippie oder so etwas?«, fragte ich.
»So ähnlich.«
»Okay, gut, also mal angenommen, du und mein Bruder, ihr sind hoffnungslos ineinander verliebt. Sagen wir, ich nehme dir das ab. Wie habt ihr euch kennengelernt? Und wie hast du erfahren, wie wir leben?«
»Äh ... na ja ...« Bobby fummelte am Reißverschluss seiner Kapuzenjacke herum. »Ich bin gern in Schwulendiskos gegangen, besonders seit meinem achtzehnten Geburtstag. Ich war nicht gerade ein Stricher, aber doch so etwas Ähnliches. Einer der Männer, die hinter mir her waren, war, wie sich herausstellte, ein Vampir. Wir waren eine Weile zusammen, allerdings war unsere Beziehung eher locker. Wir haben nur miteinander herumgemacht und er hat mich gebissen. Aber es hat eine Weile gedauert, bis ich merkte, was los war. Ich meine, auch als mir klar war, dass er mich tatsächlich biss, konnte ich nicht recht glauben, dass er ein Vampir war.«
»Ja, ich weiß, was du meinst«, sagte ich. Die übernatürliche Komponente war schwer zu schlucken. Manchmal konnte ich immer noch kaum glauben, dass es Vampire gab, dabei war ich doch selber einer.
»Ich war nie eine Bluthure«, sagte Bobby rasch. »Aber mir hat es gefallen, gebissen zu werden.« Er sah mich an. »Du bist auch gebissen worden, oder?«
»Nur einmal.«
»Es ist wirklich herrlich«, sagte er lächelnd. »Aber es ist noch besser, wenn du verliebt bist. All die Gefühle des anderen gehen durch dich hindurch. Wenn der Typ, der dich beißt, ein Idiot ist, fühlt es sich ziemlich schmutzig und schrecklich an.« Das war der Grund, warum Ezra in Finnland so gelitten hatte. Ich wollte gar nicht mehr darüber nachdenken, deshalb nickte ich nur. Bobby fuhr fort: »Jedenfalls habe ich dann im V abgehangen und mich nach Vampiren umgesehen und da habe ich Milo kennengelernt.« Bobby sah zu Boden. »Es war Liebe auf den ersten Blick. Das klingt platt, aber es stimmt.«
»Du hast ihn gesehen, und das war’s?«, fragte ich.
»So ähnlich. Wir haben miteinander getanzt und uns geküsst und uns unterhalten und seither sind wir zusammen.« Bobbys Lächeln wurde breiter. »Milo ist echt ein toller Typ.«
Er fuhr sich mit den Händen durchs Haar und versuchte, sich die abstehenden Ponyhaare glatt zu streichen. An dem merkwürdig wehmütigen Schimmer in seinen dunklen Augen und seinen leicht geröteten Wangen war abzulesen, dass er an Milo dachte. Es gab gar keinen Zweifel daran, dass er meinen Bruder wirklich liebte. Trotzdem konnte ich mich nicht recht mit ihm anfreunden.
Ich betrachtete ihn eingehend und überlegte mir, was mich an ihm eigentlich störte. War es nur, dass er Milos Freund und ich einfach eifersüchtig war?
Dann dämmerte es mir. Ich mochte Bobby nicht, weil ich ihn nicht mochte. Meine erste Reaktion war Misstrauen gewesen. Das hatte vor allem daran gelegen, dass er ein Mensch war und ich Milo beschützen wollte. Einerseits war das völlig normal, andererseits hätte ich nicht so empfinden dürfen. Nicht wenn Milo und Bobby wirklich zusammengehörten, so wie mein Blut für Peter bestimmt gewesen war.
Die Komplikationen mit Jack und Peter hingen damit zusammen, dass sich eine solche Verbindung überträgt. Jack, Peter und Ezra und dann auch Milo und ich wurden von einer gemeinsamen Blutsbindung zusammengehalten.
Milo und ich waren besonders eng miteinander verbunden, weil wir sowohl im sterblichen Leben als auch als Vampire Geschwister waren. Das bedeutete, dass ich eine große Nähe zu jedem hätte haben müssen, mit dem er verbunden war. Es hätte mir gar nicht möglich sein dürfen, jemanden, der ihm bestimmt war, nicht zu mögen. Und trotzdem hatte ich Bobby auf Anhieb abgelehnt.
Ich begann zu begreifen. Nachdem ich meine Bindung zu Peter durchbrochen hatte, wusste ich, dass Liebe stärker sein kann als Blut. Doch das war bei Bobby wahrscheinlich nicht der Fall. Er war einfach nur ein netter Kerl, mit dem Milo eine Weile zusammen war, aber wohl eher nicht auf ewig.
Bobby tat mir plötzlich leid, denn Milo würde ihm eines Tages das Herz brechen.
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