Unter dem Weihnachtsbaum in Virgin River (German Edition)
verstehst? Aber Erasmus war immer gern zu Diensten. Ich bin wirklich stolz auf diesen alten Stier.“ Sie lächelte. „Auch meine Brüder hatten alle ihren Versuch mit der Aufzucht von Tieren und haben das auch ganz gut gemacht, aber Erasmus war das Baby mit dem Blauen Band. Damit habe ich die Jungs mit ihren ganzen Preisschleifen vom hohen Ross geholt.“ Sie seufzte wehmütig. „Ich glaube, mein Dad und meine Brüder hatten ein größeres Problem damit, dass noch eine Tochter gekommen war, als ich damit, das einzige Mädchen zu sein. Und das war wahrhaftig nicht leicht. Sie waren skrupellos.”
„Aber bestimmt haben sie dich auch immer beschützt?”
„Manchmal kann es ganz schön unangenehm sein, wenn man erst wie ein Bohnensack durch die Gegend geschubst und dann wie eine Porzellanpuppe nicht mehr aus den Augen gelassen wird.”
„Haben sie es deinen Freunden schwer gemacht?”
„Da waren nicht viele Freunde.”
„Das glaube ich dir nicht”, erwiderte er grinsend. „Du lügst doch, damit ich mich besser fühle.”
Also erzählte sie ihm von Ed. Das hatte sie zwar nicht vorgehabt, aber es war eine perfekte Gelegenheit, ihm zu erklären, dass sie vielleicht das eine oder andere Problem mit Vertrauen haben könnte. Nicht nur, dass der Mann in ihrer einzigen wirklich ernsthaften Beziehung ihres Erwachsenendaseins sie betrogen hatte – aufs Übelste betrogen hatte – sondern auch, dass sie nie auch nur das Geringste davon geahnt hatte. Das machte ihr zu schaffen. Hinterher war alles so offensichtlich, aber solange es dauerte, war sie blind gewesen. Und das war gar nicht gut.
Sie befanden sich schon wieder auf dem Weg zurück zum Stall, als sie damit rausrückte, wobei sie damit rechnete, dass er mitfühlend und zart sein würde. Stattdessen zeigte er sich fasziniert. „Ist das dein
Ernst?
Er hatte mit mindestens drei Frauen gleichzeitig was laufen? Überall verteilt? Und allen hat er erzählt, dass sie seine einzige Liebe wäre? Ist das wirklich wahr?”
„Ja”, antwortete sie verärgert.
„Wie in aller Welt hat er das geschafft?”
„Also, er hat oft angerufen, wenn er gearbeitet hat. Jeden Tag hat er mit uns allen geredet, manchmal sogar mehrmals am Tag. Aber von wenigen Ausnahmen abgesehen, hatte er jeder von uns einen bestimmten Abend zugeteilt. Wir haben geglaubt, dass das die Tage waren, an denen er die Stadt nicht verlassen musste. Ich hätte wissen können, an welchem Platz in der Reihe ich stand. Ich hatte die Montage und Dienstage. Die Frau, von der er schließlich glaubte, sie sei die Richtige fürs Leben, hatte die Wochenenden, die Samstage und Sonntage. Doch als sie dann von Ms Mittwoch, Donnerstag und Freitag Wind bekam, hat sie natürlich Schluss gemacht. Drei Tage in der Woche, das musste dann ja wohl der Trumpf sein, hm?”
„Heiliger Himmel! Da brauchte er ja nicht mal ein Haus oder Apartment! Er wusste immer, wo er schlafen konnte!”
„Also weißt du, mich beeindruckt seine Fähigkeit, das durchzuziehen, überhaupt nicht.”
„Natürlich nicht. Aber wenn man so darüber nachdenkt, das war schon eine ganz nette Masche, die er da laufen hatte. Hat er dich öfter mal ausgeführt? Dir nette Sachen gekauft?”
„Das ging beides nicht”, erklärte sie. „Zum einen konnte er nicht riskieren, unterwegs mit einer Frau gesehen zu werden, denn eine der anderen Frauen oder ihre Freundinnen hätten ihm dabei zufällig über den Weg laufen können. Also hat er gesagt, er wäre so müde und würde es nach einer Woche auf der Straße und den Essen in Restaurants genießen, einfach mal zu Hause zu bleiben.”
„Wo du für ihn kochen konntest”, stellte Nate fest.
Sie schürzte die Lippen, verengte die Augen zu schmalen Schlitzen und nickte. „Er hat mir einen neuen Wasserboiler gekauft, als meiner kaputt war”, räumte sie ein. „Gut möglich, dass er diese heiße Dusche unbedingt gebraucht hat”, murmelte sie.
„Der Mann ist ein Genie”, meinte Nate. Dann aber, nachdem er ihr Gesicht gesehen hatte, fügte er hinzu: „Oh, er ist ein Mistkerl, dennoch musst du ihm ein bisschen Anerkennung zollen für so viel Planung und List, was …”
„Ich bin ihm keine Anerkennung schuldig”, schnitt sie ihm barsch das Wort ab.
Er griff nach ihrer Hand und zog sie näher. „Natürlich nicht. Keine Anerkennung. Man müsste ihn umbringen. Aber ich bin froh, dass er sich nicht für dich entschieden hat. Was, wenn er dich gewählt hätte? Kannst du dir das vorstellen? Wir wären
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