Unter dem Weltenbaum - 01
blühen, selbst auf den Scheiterhaufen geworfen zu werden. Zumindest müßte er sich einem hochnotpeinlichen Verhör durch die Inquisition stellen. Zum ersten Mal in seinem Leben war er froh, so weit vom Turm entfernt zu sein.
Der Krieger wanderte langsam durch die finstere Nacht und lauschte den Geräuschen des Lagers, wo man sich zur Ruhe legte. Trotz aller gegenteiligen Bemühungen mußte er immer wieder an Faraday und Timozel denken. Zwei so junge und unschuldige Menschen mit vielfältigen Begabungen, die das ganze Leben vor sich gehabt hatten. Der eine der Sohn seiner engsten Freundin, die andere eine schöne junge Frau, die ihm Respekt und Bewunderung abgerungen hatte. Axis war noch niemals wirklich verliebt gewesen, obwohl er nie große Mühe damit gehabt hatte, Frauen in sein Bett zu locken. Manchmal hatte er sich gefragt, ob er nicht zu zynisch und bitter an die Sache herangehe. Vermutlich konnte er sich einem anderen Menschen gar nicht wirklich öffnen, weil er davor zurückschreckte, das Wagnis einer Beziehung einzugehen. Doch in jener Nacht im Schatten der Hügel, wo unter seinen Füßen die Gebeine der ikarischen Könige verrotteten und Faraday sich in seinen Armen die Seele aus dem Leib geweint hatte, da war ihm klargeworden, daß es dieser jungen Frau mit ihrer frischen, unschuldigen und vor allem ehrlichen Art vielleicht gelingen könnte, die Barrieren niederzureißen, die er in jahrelanger Arbeit um sein Herz errichtet hatte.
Der Krieger bückte sich, zupfte einen Grashalm und kaute gedankenverloren darauf herum. Was war ihm eigentlich durch den Sinn gegangen, als er der jungen Frau geraten hatte, darüber nachzudenken, ob sie nicht bereit sei, das Wagnis einzugehen, ihr Leben mit jemandem zu verbringen, den sie womöglich lieben lernen könnte? Hatte er damit am Ende sich selbst gemeint? Ja, mußte Axis sich eingestehen. Er hatte sich gemeint. Er lachte bitter. War er wirklich so tolldreist gewesen, der Tochter eines Grafen vorzuschlagen, sie solle auf das Leben am Hof eines Herzogs verzichten, der sie vermutlich sogar zur Königin machen würde, verzichten, um in sein Bett zu kommen? Bornhelds Spott am Hof in Karlon hatte ihn tief getroffen, und er durfte wohl wirklich nie hoffen, die Hand einer Tochter aus dem Hochadel zu gewinnen. Hatte er Faraday aus diesem Grund geküßt? Aus Trotz und um Bornheld eins auszuwischen? Weil er sich keinen größeren Triumph vorstellen konnte, als dem verhaßten Stiefbruder die Braut wegzuschnappen?
Axis wußte darauf keine Antwort. Ihm war nur klar, daß er noch nie eine Frau wie Faraday kennengelernt hatte. Vielleicht hatte er sie ja allein deshalb geküßt. Oder weil sie sich in seinen Armen so gut angefühlt und er sich eingebildet hatte, in sie verliebt zu sein.
Er verzog den Mund. Und nun vermoderte sie unter der Erde, zusammen mit den ikarischen Königen, ihrer Mutter und über dreihundert Axtschwingern. Welche Macht steckte in der Liebe, wenn sie ihn so sorglos machte? Während er sich seinen Träumereien darüber hingegeben hatte, mit Faraday zusammen zu sein, hatten viele seiner Soldaten den Tod gefunden. Trotz aller Versicherungen von Ogden und Veremund empfand er immer noch brennende Schuldgefühle, weil er seine Truppe an diesem Tag aus dem Schutz der Grabhügel hinausgeführt hatte.
»Ihr dürft Euch nicht mit Vorwürfen quälen, Axis.«
Der Krieger fuhr herum. In der Dunkelheit tauchte Belial auf, grinste und salutierte nachlässig. Er hatte seinen General mit Namen angeredet, und das ließ darauf schließen, daß er als Freund kam und nicht als sein Leutnant. Vor der Truppe redeten die beiden sich stets mit dem Rang an. Aber untereinander behandelten sie sich als Freunde und Gefährten.
Axis versuchte, eine verärgerte Miene aufzusetzen und sich gestört zu zeigen. Aber weder das eine noch das andere wollte ihm gelingen. »Ich war für die Männer verantwortlich«, entgegnete er und starrte in den Nachthimmel. »Niemanden sonst trifft eine Schuld.«
Belial stellte sich neben ihn und betrachtete ebenfalls den Himmel. Wohl um ihm den Trost menschlicher Nähe zu geben. Über die Katastrophe bei den Grabhügeln ließ sich nichts mehr sagen. Axis hatte dort seine schlimmste – und erste – militärische Niederlage erlitten, und Belial wußte, daß sein Freund einige Zeit brauchen würde, um damit zurechtzukommen. Vor allem weil er dabei auch die Edle Faraday verloren hatte. Dem Leutnant war nämlich nicht entgangen, wie sehr die junge Frau
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