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Unter dem Weltenbaum - 01

Unter dem Weltenbaum - 01

Titel: Unter dem Weltenbaum - 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglass Sara
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denn er kannte dieses Gefühl, das von Zauberkraft bewirkt wurde. Sobald man die Verse vernahm, brannten sie sich einem ins Gedächtnis ein. Bis auf die dritte Strophe natürlich, denn die konnte nur einer in seinem Geist bewahren. Der Wächter unterdrückte ein Lächeln, als er daran dachte, daß der Prophet Zaubersprüche in seinen Text gewoben hatte. Dem Seneschall stand in den nächsten Monaten eine unangenehme Erfahrung bevor, mußte er doch feststellen, daß längst nicht alle Achariten Artor so tief verehrten, wie allgemein angenommen wurde.
    »Irgendwie ergibt das einen Sinn«, fuhr der Kohortenführer fort. »Wenn Gorgrael hinter den Angriffen im Norden steckt, dann hat er vielleicht auch den Sturm ausgelöst, der über die Grabhügel hereinbrach.«
    Axis nickte und öffnete den Mund, um etwas zu entgegen, aber ein anderer Offizier, Methuen, kam ihm zuvor.
    »Wenn der Zerstörer sich im Norden austobt, dann müssen wir den Sternenmann finden, sonst sind wir verloren.«
    Der Krieger wurde ein wenig ungehalten: Wieder öffnete er den Mund, und erneut war ein anderer schneller.
    »Axis«, wollte Belial wissen, »was spielt Ihr da?«
    Die Frage verwirrte ihn, und als er entdeckte, daß alle Blicke auf ihn gerichtet waren, schloß er endgültig den Mund. Was er da gespielt hatte? Er hatte nur ein wenig herumgeklimpert und sich nichts dabei gedacht. Doch jetzt merkte er: Er hatte das alte Lied gespielt, das er doch eigentlich gar nicht kannte – und das in einem Takt und in einer Tonfolge, wie sie die acharitische Musik nicht kannte.
    »Nur eine dumme kleine Melodie, Belial, nichts Besonderes.« Der Krieger legte die Harfe rasch beiseite und erhob sich. »Ich muß nach den Wachen sehen«, verkündete er, »und feststellen, ob das Gelände abgesichert ist.«
    Schon war er verschwunden.
    Arne stand auf, um ihm zu folgen, aber Belial hielt ihn zurück. »Bleibt! Er will allein sein.«
    Der Axtherr inspizierte die Patrouillen und schlenderte dann in die Nacht hinaus, um die Gedanken zu ordnen. Was ging nur in ihm vor?
    Bislang ließ sich an dieser Reise nur ein Gutes feststellen: Seit den Ereignissen bei den Grabhügeln waren seine Alpträume vollständig ausgeblieben. Aber wenn er nun nachts nicht mehr von Schreckbildern gepeinigt wurde, so beschäftigte ihn dafür um so mehr das Rätsel, wer sein Vater gewesen sein mochte. Wer war der Mann gewesen, der einem Kind im Mutterleib ein Zauberlied beizubringen vermochte, mit dem er im späteren Leben allerlei Gefahren abwenden konnte? Dabei hatte die Kirche ihn gelehrt, daß Zauberei jeder Art von Übel sei. Selbst die Kräuterarzneien, die Bauersfrauen in manchen Landstrichen brauten, wurden vom Seneschall mißbilligt. Vor allem wenn diese Tränke mit Sprüchen oder Weisen verabreicht wurden, denen man zusätzliche Heilkraft nachsagte. Der Axtherr hatte selbst einige dieser Frauen in den Turm des Seneschalls geworfen, damit sie sich dort für ihre Schandtaten verantworteten. Er schüttelte sich bei dem Gedanken daran, was man mit den armen Weibern angestellt hatte, die für schuldig befunden worden waren. Tod auf dem Scheiterhaufen, hatte in der Regel das Urteil gelautet. Nie würde Axis die Schreie der Frauen vergessen, wenn die Flammen an ihnen emporzüngelten. Wenigstens hatte es nicht zu seinem Aufgaben gehört, den Scheiterhaufen anzuzünden.
    Und jetzt war er selbst mit Magie in Berührung gekommen. Verstörende, lange vergrabene Erinnerungen trieben aus seinem Innern hoch, nachdem die Prophezeiung diese verborgene Pforte geöffnet hatte. Nein, nicht nur Erinnerungen, sondern auch Gaben. Der Bann zur Abwehr alles Bösen, den er der Erscheinung des Gorgrael entgegengesungen hatte, hatte sich bislang als der mächtigste Zauber erwiesen, aber längst nicht als der einzige. Das Liedchen, das Axis vorhin am Lagerfeuer angestimmt hatte, schien ein weiteres Beispiel für das geheime Leben zu sein, das sich mittlerweile in ihm regte.
    Wie war ihm diese Melodie ins Gedächtnis gekommen? Und seit wann spielte er auf solche Weise Harfe? Er konnte sich nicht daran erinnern, die Griffe jemals gelernt zu haben. Und wenn er es recht bedachte, hatte er überhaupt nie Harfenunterricht genommen, sondern einfach eines Tages auf dem Instrument gespielt, und das war ihm sofort gelungen. Schon als Kind übertraf sein Spiel das der meisten Barden bei Hofe. Sollte der Seneschall jemals von diesen sonderbaren Liedern mit ihren fremdartigen Texten erfahren, konnte es dem Axtherrn durchaus

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