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Unter dem Weltenbaum - 01

Unter dem Weltenbaum - 01

Titel: Unter dem Weltenbaum - 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglass Sara
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immer größer wurde. Dann zitterte und verzerrte sich der Schatten. Das Wesen schickte sich an, vor die Tür zu treten. »Wer ist da?« fragte die schreckliche Stimme. »Wer stört meine Ruhe?« Der Jüngling spürte, wie nicht nur Worte, sondern auch Haß und Zorn aus dem Mund des Fremden drangen. Der Anblick des zitternden Schattens nahm Timozel so sehr gefangen, daß er es nicht wagte, die Antwort zu verweigern. »Ich heiße Timozel, und ich möchte gar nicht hier sein.« Zu seinem Pech schützte ihn diesmal keine Bewußtlosigkeit vor diesem Alptraum.
    Ramu zog ein Bündel aus einer Astgabel, packte es auf dem Boden aus und teilte seine Vorräte mit den anderen. Faraday kannte einige der Beeren und Waldfrüchte, die der Priester ihnen anbot, und das Fladenbrot schmeckte zwar nicht unangenehm, aber vollkommen fremd. »Woraus besteht dieses Brot?« fragte sie.
    »Aus Malfari, aber nicht aus dem Getreide, das ihr in den Ebenen anpflanzt, sondern aus den gleichnamigen Knollen, die wir in Awarinheim sammeln. Wir zerstoßen sie, lassen die Masse trocknen, mengen Kräuter und Käse darunter und backen daraus dieses Fladenbrot. Während der Wintermonate stellt es unser Hauptnahrungsmittel dar.«
    »Was ist denn Awarinheim?« fragte die Edle verwundert. Schra kam mit vertrauensvollem Blick zu ihr und setzte sich auf ihren Schoß. Faraday strich dem Mädchen über den Kopf und wiederholte ihre Frage: »Wo liegt dieser Ort?«
    Jack lächelte entschuldigend. »Verzeiht, Ramu, aber wir hatten noch keine Gelegenheit, ihr alles zu erklären. Schließlich haben wir sie ja erst vor kurzem gefunden. Könntet Ihr der Edlen etwas von Eurem Volk erzählen? Und auch darüber, warum Ihr mit dem Kind hierhergekommen seid?«
    »Schra und ich gehören zu den Awaren.« Der Mund des Priesters verzog sich zu einem bitteren Lächeln. »Also zu einem der beiden Völker, die Ihr die Unaussprechlichen nennt. Wir leben in Awarinheim, dem großen Wald, der sich von den Eisdachalpen bis zu den Grenzbergen erstreckt – wohin uns Eure Vorfahren vor tausend Jahren während der Axtkriege abdrängten.« Faraday errötete vor Scham über das Tun ihres Volkes, aber sie hielt Ramus Blick stand. »Ihr kennt Awarinheim als Schattenland, und Eure Bruderschaft des Seneschalls hat Euch beigebracht, diesen Wald und alles, was darin kreucht und fleucht, zu hassen und zu fürchten.«
    Der Blick des Priesters wanderte über den Farnbruchsee, der sich im Dämmerschein verdunkelte. »Hier stehen ein paar letzte bescheidene Reste von Awarinheim, obwohl man mir berichtete, am Kesselsee gebe es auch noch einen Wald.« Jack nickte zur Bestätigung. »Dabei handelt es sich um die letzten Überbleibsel des einst riesigen Waldes, Awarinheim genannt, der sich vor Zeiten von den Eisdachalpen zur Weitwallbucht und vom Witwenmachermeer bis zum Fluß Nordra ausdehnte. Ihr und Euer Volk, Faraday von Skarabost, habt den größten Teil unseres Heims vernichtet.«
    »Während der letzten Wochen habe ich erfahren dürfen, daß die Ereignisse der Vergangenheit unterschiedlich betrachtet werden«, entgegnete sie kleinlaut.
    »Die Awaren sind ein friedliches Volk«, fuhr der Priester fort. »Wir leben in größter Harmonie mit unserem Land, ganz im Gegensatz zu Eurem Volk, das den Boden entweiht, verletzt und plündert, um möglichst viel aus ihm herauszuholen – und ohne etwas dafür zurückzugeben. Bei Eurem Weg des Pflugs handelt es sich um eine Widernatürlichkeit, um einen Verstoß gegen die Natur, Faraday.«
    »Genug, Ramu«, ermahnte die Katzenfrau ihn sanft. »Das arme Mädchen hat nicht so breite Schultern, um die Schuld ihres ganzen Volks auf sich laden zu können.«
    Der Priester senkte den Blick vor der Wächterin, doch der Zorn loderte noch immer in seinen Augen. »Manchmal fällt es uns schwer, dabei zuzusehen, wie das Land, das wir geliebt und versorgt haben, von der furchtbaren Pflugschar aufgerissen wird und verödet.« Er wandte sich wieder an die Edle und fuhr in etwas versöhnlicherem Tonfall fort: »Wir leben in Harmonie mit unserem Land und den Jahreszeiten. Deshalb wollen wir nichts verändern oder verzerren. Nein, wir unterstützen das Land und die Jahreszeiten nach besten Kräften. Von allen Lebewesen verehren wir die Bäume am meisten. Für uns ist der Wald, Awarinheim, ein Lebewesen, und wir hüten ihn wie ein Familienmitglied. Unsere heiligsten Rituale dienen dem Erhalt der Jahreszeiten und der Pflege von Land und Wald. Einige unter uns besitzen die Gabe,

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