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Unter dem Weltenbaum - 01

Unter dem Weltenbaum - 01

Titel: Unter dem Weltenbaum - 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglass Sara
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mir die Zellenschlüssel, damit wir die beiden Ungeheuer, die sich selbst für Menschen halten, einsperren können.« Er atmete tief durch. »Wenn ich ihnen zu nahe komme, kann ich für nichts mehr geradestehen.«
    Der Jüngling mit dem Schlüsselbund in der Hand zuckte wie unter einem Schlag zusammen, als der Leutnant ihn ihm aus der Hand riß. Dann warf er sie dem Krieger zu, und der Blick zwischen den beiden sagte alles. Beide stimmten in ihrem Abscheu überein. Mochte man von den Unaussprechlichen halten, was man wollte, selbst diese Wesen hatte eine solche Behandlung nicht verdient. Und erst recht sperrte man kein Kind, das noch kaum laufen konnte, in ein finsteres Loch.
    Axis steckte den Schlüssel ins Schloß und spürte, daß Aschure mit dem Wassereimer hinter ihm stand. Garland keuchte entsetzt, als die Tür aufschwang. »Sie sind gefährlich, Axtherr! Geht bloß nicht hinein!«
    Der Krieger drehte sich um und blickte dem Mann in die Augen. »Ihr wißt doch gar nicht, was wirkliche Gefahr bedeutet, Garland«, entgegnete er ebenso leise wie bedrohlich. Der Bauer wurde weiß wie eine Wand und schwieg.
    Ogden legte dem Axtherrn eine Hand auf den Arm. »Axis, ich bitte Euch, laßt die beiden gehen«, flüsterte der Dicke, und seiner Miene war anzusehen, daß er größte Pein litt. Ohne darauf zu achten, daß Aschure hinter ihm stand und alles mitbekam, fegte er die Hand des Mönchs vom Arm. »Das dürfte wohl kaum die Art von Mitgefühl sein, die der Seneschall guthieße, Bruder Ogden!«
    Die Tochter des Priesters runzelte dazu nur die Stirn. Axis riß die Tür ganz auf, ließ Axt und Schwert am Gitter zurück und betrat langsam die schmutzstarrende Zelle. Aschure folgte ihm, und Belial hielt an der Tür Wache.
    Der Krieger drehte sich auf halbem Weg zu der jungen Frau um. »Wartet hier«, befahl er und nahm ihr den Eimer ab.
    Axis zögerte, bevor er sich den Unaussprechlichen weiter näherte. Er hatte sich immer schon gefragt, wie er auf die Begegnung mit solchen Kreaturen reagieren würde. Aber statt nun Furcht oder Mordlust zu verspüren, wie der Seneschall es ihm beigebracht hatte, betrachtete er die beiden teilnahmsvoll und zu seiner großen Verwunderung sogar mitfühlend. Als Axis dem Mann in die großen dunklen Augen blickte, stellte er fest, daß er dieses Wesen weder hassen noch fürchten konnte.
    Ramu sah den Fremden näher kommen. Er hatte die schwarze Uniform mit der gekreuzten Axt auf der Brust gleich erkannt. In den vergangenen tausend Jahren hatte diese Uniform sich nicht verändert, und jeder Aware lernte von Kindesbeinen an, sie zu fürchten und zu verabscheuen. Doch als Ramu sich schon darauf vorbereitete, zusammen mit Schra in den ewigen Hain einzugehen, hatte sich die Lage auf dramatische Weise verändert, und dazu in eine Richtung, die er nie für möglich gehalten hätte. Der Axtherr hatte den Pflughüter in einem Wutanfall gepackt und halb erschlagen – und das in einer Weise, die jedem Gehörnten zur Ehre gereicht hätte. Und nun, nachdem das Mädchen und er vier Tage des Schreckens, der Pein und des Durstes gelitten hatten, legte der Fremde auch noch seine Waffen ab und kam mit einem Wassereimer in der Hand und Mitgefühl in den Augen zu ihnen. Ramu zog Schra schützend an die Brust. Sie war schon seit zwölf Stunden ohne Bewußtsein und atmete kaum noch.
    Axis stellte den Eimer ab und ging vor dem Mann in die Hocke.
    »Versteht Ihr mich?« fragte er ruhig. Einen Moment lang reagierte der Awarenpriester nicht, dann nickte er leicht.
    Der Krieger nahm den Mann genauer in Augenschein. Er wirkte kräftig, sogar stark, doch trotz seiner fremdartigen Züge entdeckte Axis nichts, was die Greuelmärchen gerechtfertigt hätte, die der Seneschall über die Grausamkeit und teuflische Art der Unaussprechlichen verbreitete. Welches Dämonengeschöpf hätte ein Kind schon so liebevoll halten können? Dann fiel ihm ein, was Ogden ihm über diese Menschen berichtet hatte. »Seid Ihr ein Aware?« fragte er.
    Ramu riß die Augen auf und nickte erneut, diesmal etwas heftiger. Axis’ Blick wanderte zu dem Mädchen. Die Dörfler hatten es offensichtlich grausam behandelt, und es schien dem Tode näher als dem Leben zu sein. Die Kleine atmete flach, unregelmäßig und gurgelnd, was auf Wasser in der Lunge schließen ließ. Ihre Lippen und Fingernägel hatten sich blau verfärbt. Angesichts dieses Jammers stand dem Krieger schier das Herz still, und er spürte so starkes Mitleid in sich aufsteigen, daß ihm

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