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Unter dem Weltenbaum - 01

Unter dem Weltenbaum - 01

Titel: Unter dem Weltenbaum - 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglass Sara
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Rivkahs Namen geflüstert hätten. Erst als die Angreifer die Leiche an sich gebracht hatten, stürmten sie ins Scriptorium und zerrissen dort die Bücher und Unterlagen.«
    Jayme und Moryson sahen sich wieder an. »Und diese beiden Brüder haben mit eigenen Augen gesehen, wie die Kreaturen den Leichnam wegschleppten?« fragte der Bruderführer dann.
    »Nein«, antwortete der König, »denn sie flohen in einen Wandschrank, als der Angriff begann. Sie hörten nur, wie die Wesen erst in die Krypta hinabstiegen und dann ins Scriptorium hinaufrannten. Nachdem sie dort alles zerstört hatten, machten sie sich über die Leiber der getöteten Brüder her. Erst eine Stunde danach wagten die beiden sich aus ihrem Versteck hervor und konnten das ganze Ausmaß des Zerstörungswerks in Augenschein nehmen.«
    »Warum?« fragte Bornheld leise. »Warum nur?«
    Darauf konnte ihm niemand eine Antwort geben. Priam breitete hilflos die Arme aus. Jayme, der bleich geworden war, stützte den Kopf in eine Hand. Jorge sah die anderen an, beugte sich vor und ergriff das Wort. Seine Stimme klang erst eindringlich und leise, gewann aber mit jedem Wort an Kraft und Zorn.
    »Die Reaktionen der hier Versammelten enttäuschen mich zutiefst, und ich bin alt genug, mich nicht mehr darum zu scheren, wenn ich den einen oder anderen damit beleidigen sollte. Ist dies tatsächlich der Kriegsrat des Reiches? Ihr kommt mir eher wie eine Schar schüchterner Jungfern vor, die nicht wissen, wie sie den stürmischen Liebhabern begegnen sollen – kreischend wegrennen oder lieb lächeln und das Röckchen heben!«
    Jorge sah sich grimmig in der Runde um, und seine grauen Brauen hatten sich vor Empörung aufgestellt. »Jeder hier am Tisch scheint übersehen zu haben, daß die Katastrophe für uns viel größer ausgefallen wäre, wenn man Magariz getötet oder mitgenommen hätte! Er ist nämlich der Mann, der zur Zeit das Schicksal Achars in Händen hält. Und ihm obliegt es auch bis zum Moment seiner Ablösung, diese Bestien von uns fernzuhalten.«
    Der alte Graf beugte sich noch weiter vor und zeigte mit dem Finger auf jeden der Anwesenden. Als er fortfuhr, klang seine Stimme leiser, aber um so eindringlicher. »Mir ist hinreichend bekannt, daß Rivkah mit mehreren hier am Tisch verwandt war, sei es als Schwester oder als Mutter, und ich kann mir gut vorstellen, daß der Verlust so vieler Brüder den Seneschall zutiefst bestürzt. Aber hier geht es ums Reich als Ganzes, und Achar sieht sich einer Bedrohung bislang nicht gekannten Ausmaßes gegenüber. Angesichts eines unbekannten Feinds können wir nicht über einen achtunddreißig Jahre alten Leichnam heulen und wehklagen. Nun reißt Euch endlich am Riemen, meine Herren! Handelt endlich wie Männer und wie die Führer des Reiches, die Ihr doch so gern seid.«
    Jorge lehnte sich wieder zurück. Er hatte gesagt, was er sagen wollte, aber seine Miene drückte immer noch Grimm aus. Die Art, wie sich der Herrscher benahm, stieß ihn ab. Als König hatte Priam die Aufgabe, immer und überall Achar ein vorwärtsweisender Führer zu sein. Aber was tat der Mann statt dessen? Hockte wie ein Häufchen Elend auf seinem Stuhl und konnte keinen vernünftigen Gedanken mehr fassen, und das bloß, weil jemand die Leiche seiner seit mehreren Jahrzehnten toten Schwester geraubt hatte. Und was Bornheld anging … Jorge hatte immer schon an Priams Weisheit gezweifelt, seit dieser den keinesfalls schlachterprobten Herzog zum obersten Heerführer des Reiches ernannt hatte. Bornhelds unbeherrschte Art heute unterstrich diese Zweifel noch. Der Graf warf einen Seitenblick auf Axis, der ruhig dasaß und die Lider halb geschlossen hatte.
    Er sprach den jungen Mann direkt an: »Axtherr, welcher Gefahr stehen wir gegenüber?« Ich bin gespannt, dachte Jorge, was Axis wirklich kann.
    »Ihr habt es selbst gesagt«, antwortete der Schützling des Bruderführers, »die Gefahr besteht darin, daß Achar von Kreaturen überrannt werden könnte, die wir nicht kennen, die aber in der Lage sind, die Verteidigungsanlagen einer so starken Festung wie Gorken zu überwinden. Das und noch mehr haben sie uns eindrucksvoll bewiesen.«
    »Richtig«, bestätigte Jorge, »und ich glaube …«
    »Und mehr noch«, fuhr der junge Mann schon fort, ohne den Älteren ausreden zu lassen, »bin ich der Überzeugung, daß es sich bei dem Überfall auf die Feste nur um den vorläufigen Höhepunkt einer ganzen Serie von Vorfällen handelt. Vergessen wir nicht die

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