Unter dem Weltenbaum - 01
vernünftigerweise gegen einen Hosenrock getauscht, mit dem sie rittlings auf dem Roß sitzen konnte. Ihr Haar hing mädchenhaft in einem langen dicken Zopf herab. Ihre Mutter hatte sie mehrfach für diese Aufmachung getadelt, aber Faraday hatte sich nicht beirren lassen und sich verteidigt. Embeth verschob das Hinterteil, um eine bequemere Stellung zu finden.
»Wir werden langsamer!« rief sie den Damen zu und zügelte ihr Pferd ein wenig, damit Merlion und ihre Tochter zu ihr aufschließen konnten. »Fünfhundert Schritte voraus befindet sich eine Senke. Vielleicht ist der Axtherr uns ja gnädig gesonnen und beschließt, dort das Nachtlager aufzuschlagen.« Die Herrin hatte beobachtet, wie einige Axtschwinger sich aus der Kolonne gelöst hatten, vorausgeritten waren, die Stelle inspiziert und ihrem Herrn Bericht erstattet hatten. Axis ritt an der Spitze des Zugs und war auf seinem grauen Hengst weithin sichtbar.
»Das möchten wir doch sehr hoffen«, murrte Merlion. Ihr buschiges Haar löste sich unter dem Kopfputz und hing in Strähnen herab. Die Frau wirkte müde und zerzaust. Seit Beginn der Reise schien sie um fünfzehn Jahre gealtert zu sein. »Dieser Mann hat offensichtlich keine Vorstellung davon, daß Damen nicht für solche Gewaltritte geschaffen sind. Meine Zofen sind abends so erschöpft, daß sie mir kaum noch aufwarten können.«
Faraday lächelte Embeth kurz zu. »Wir befinden uns auf keiner Vergnügungsreise, Mutter. Der Axtherr führt eine militärische Unternehmung durch und bewegt sich deshalb im Soldatentempo.«
Der junge Mann hatte die Gruppe der Damen bislang weitgehend mit Mißachtung gestraft. Zwar errichteten die Soldaten deren Zelte abends nahe seiner Unterkunft, aber er selbst schaute nie nach den Frauen und verbrachte die Abendstunden damit, von Lagerfeuer zu Lagerfeuer zu gehen, überall nach dem Rechten zu sehen, mit seinen Soldaten zu schwatzen und sich mit den Offizieren zu beraten. Erst spät in der Nacht suchte Axis sein Lager auf, um dann gleich in tiefen Schlaf zu fallen. Die Damen saßen meist um ihr eigenes Feuer herum, blieben weitgehend sich selbst überlassen und kamen sich inmitten von Tausenden von Männern wie eine Insel der Weiblichkeit vor. Merlion vertraute ihrer Tochter, selbst auf ihre Tugend zu achten, aber nicht den Zofen. So behielt die Gräfin ihre Damen im Auge, von denen so manche des Nachts alle Scham zu vergessen schien und sich von ihrer Schlafmatte entfernte.
Ein Reiter sprengte von der Spitze zurück und näherte sich den Damen. »Timozel!« rief Embeth erfreut, denn sie hatte ihren Sohn auf diesem Marsch noch kaum zu sehen bekommen.
Der Jüngling grinste seine Mutter an und begrüßte die beiden anderen Adligen mit einer kurzen Verbeugung. »Meine Damen, ich darf doch hoffen, daß Ihr die Reise bislang genossen habt.«
Faraday lächelte ihn an. Er gefiel ihr auf Anhieb. Timozel mochte ein oder zwei Jahre älter sein als sie, wies aber noch den viel zu großen Jünglingskörper auf, der erst in der Erwachsenenreife an Fülle gewinnt. Das gute Aussehen hatte er von der Mutter geerbt, ebenso die dichten braunen Locken und die dunklen blauen Augen; nur der breite, bewegliche Mund und die Hakennase schienen vom Vater zu stammen. Trotz seiner Jugend ritt er seinen langbeinigen Fuchs wie ein erfahrener Reiter, und die Axt und das Schwert, die links und rechts von ihm herabhingen, verliehen ihm erst recht das Aussehen eines Mannes.
Als er Faraday ansah, weitete sich sein Lächeln kurz zu einem Grinsen. Sie errötete leicht, auch wenn ihre Augen strahlten und ihr Lächeln es mit seinem aufnehmen konnte. Embeth verfolgte den Austausch der beiden mit leisem Amüsement. Wie dumm, daß man die junge Frau bereits verlobt hatte, bevor sie die Freuden des Kokettierens hatte kennenlernen dürfen. Nun würde sie nie mehr die Gelegenheit erhalten. Nicht, solange Bornheld über sie wachte.
»Meine Damen, Frau Mutter, es wird Euch sicher freuen zu erfahren, daß wir heute ein wenig früher zur Nacht anhalten. Vor uns liegt eine gute Lagerstelle, an der man Schutz und ausreichend Wasser findet. Der Axtherr freut sich darüber, wie gut wir bislang vorangekommen sind, und will daher die Rast nutzen, damit wir und die Pferde sich ein wenig länger als gewöhnlich erholen können.«
»Der Mann hat ja doch so etwas wie ein Herz«, murmelte Faradays Mutter, während sie vergeblich versuchte, die vorwitzigen Strähnen unter den Hut zurückzuschieben.
»Der Krieger schickt
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