Unter dem Weltenbaum - 01
Grinsen. Allem Anschein nach war dieses Mädchen doch nicht auf den Kopf gefallen. »Und im Gegenzug könnte die Herrin Faraday Euch Tanzschritte beibringen, Bornheld. Eure Darbietung war nicht eben überzeugend.«
Der Herzog erstarrte und wünschte, eine passende Entgegnung möge ihm über die Lippen kommen. »Trödelt auf Eurem Weg nach Gorken nicht zu lange herum, Axtherr«, gab er schließlich lahm, aber dafür um so barscher zurück. Dann tätschelte er seiner Braut noch einmal den Arm, wandte sich ab und kehrte, immer noch mit rotem Kopf, in den Palast zurück.
Obwohl Axis’ Bemerkung ihr sehr gefallen hatte, schüttelte Faraday jetzt doch unmerklich den Kopf. Wie hatte sie sich nur so gehen lassen können? Das Mädchen richtete sich gerade auf und wunderte sich über den bitteren Haß, der zwischen den beiden Halbbrüdern herrschte.
»Mein Sohn.« Jayme trat aus dem Schatten, in dem er gestanden hatte. Axis neigte den Kopf und schlug die Faust an die Brust, um den Bruderführer nach Art der Axtschwinger zu begrüßen. »Reitet rasch und sicher, mein Sohn. Findet die Antworten, derer wir so dringend bedürfen. Und erinnert Euch Eures Versprechens.«
Der Axtherr nickte, aber seine Augen blieben kalt. Die Spannung zwischen den beiden hatte sich seit dem heftigen Streit im Gemach des Kirchenfürsten noch nicht gelegt, obwohl seitdem schon fünf Tage vergangen waren. Er lenkte sein Roß fort von Jayme. »Furche weit, Furche tief, Vater.«
»Weit und tief«, entgegnete der Bruderführer. »Möge Artor jetzt und immerdar über Euch wachen, mein Sohn.«
Die beiden sahen sich für einen längeren Moment über den Kopf Belaguez’ hinweg an. Als Jayme die Hand zum Segen hob, wendete Axis seinen Hengst so ruckartig, daß die Hufe auf dem Pflaster Funken schlug.
»Axtschwinger, seid ihr bereit?« rief er mit klarer und weitreichender Stimme.
Vom Hof und von der Straße erhob sich aus vielen Kehlen die Antwort. »Wir folgen Eurer Stimme und sind bereit, Axtherr!«
»Dann laßt uns aufbrechen!« rief der junge Krieger, und die Soldaten erhoben ein Jubelgeschrei. Das Donnern von zwanzigtausend Hufen brachte Karlon zum Erbeben, und die Adler und Falken stiegen vor Schrecken und Verwirrung von den Mauerkronen und Zinnen der Stadt in den Himmel auf.
10 Über die Ebenen von Tare
Embeth hatte ihr Leben lang Geschichten über die legendäre Fähigkeit der Axtschwinger gehört, rasch und weit zu reiten, ganz gleich, wie groß ihre Schar auch sein mochte. Aber sie hatte sie nie ernstgenommen und für die Prahlerei von Soldaten gehalten, die schon so manchen Krug Bier geleert hatten. Doch nach fünf Tagen Ritt von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang mußte die Edle zugeben, daß die Berichte keineswegs übertrieben waren.
Die Kolonne der Axtschwinger setzte sich aus dreieinhalbtausend Berittenen, mindestens dreihundert Packpferden und einigen hundert Ersatzrossen zusammen, die jeden Tag gewechselt wurden. Und dazu noch, wie Embeth sich mit schmerzverzogenem Gesicht eingestehen mußte, aus sieben recht wundgerittenen Damen – von denen allerdings keine beim ersten überfluteten Rinnstein aus dem Sattel gefallen war. Der Zug wurde langsamer, und man bereitete sich auf das fünfte Nachtlager vor. Bruder Gilbert machte ebenfalls den Eindruck, als mache ihm das lange Reiten kein Vergnügen, und der Herrin fiel die weiße Katze wieder ins Auge, ein plumpes Tier, das den Tagesritt offenbar auf einem der Packpferde mitgemacht hatte. Jeden Abend tauchte sie von irgendwoher wieder auf, strich dem Axtherrn unter dessen Verwünschungen um die Beine und schnurrte vernehmlich. Morgens verschwand das Tier dann im Morgengrauen irgendwohin, und niemand bekam es bis zum Abend zu Gesicht.
Die Herrin von Tare drehte sich im Sattel um. Bruder Gilbert folgte ihnen mit mürrischer Miene in zwanzig Schritten Abstand. Offenbar verdroß es ihn immer noch, mit den Axtschwingern zum Turm der Schweigenden Frau gesandt worden zu sein. Der junge Mönch zog es vor, seine Tage nicht in höfischer Konversation zu verplaudern, und er schien auch sonst jedem Gespräch auszuweichen. Herrin Merlion umschloß grimmig den Sattelknauf und verwünschte sicher ihren Gatten (oder sonstwen) dafür, sie in dieser Gesellschaft nach Arkness zu schicken. Faraday, die körperlich und geistig beweglicher wirkte als ihre Mutter, schien mit den Strapazen des Ritts deutlich besser zurechtzukommen. Nach dem ersten Tag hatte sie ihre langen Reiseröcke abgelegt und
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