Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unter dem Weltenbaum - 01

Unter dem Weltenbaum - 01

Titel: Unter dem Weltenbaum - 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglass Sara
Vom Netzwerk:
bemerkte der Schweinehirt, und seine Besorgnis legte sich, als er sah, daß Faraday sich regte. »Wer hätte gedacht, daß der halbe Grabhügel einstürzen würde? Yr und ich konnten dem Schlimmsten entkommen, aber Ihr und dieser aufdringliche Axtschwinger wurdet von etlichen Steinen getroffen.«
    »Timozel!« Das Mädchen setzte sich mit einem Ruck auf. Etwas zu rasch für ihren armen Kopf. Stöhnend hielt sie sich die Hände an die Schläfen.
    »Still«, mahnte eine Frauenstimme hinter ihr, und kühle, angenehme Hände strichen ihr sanft über die Stirn. »Ihr dürft Euch nicht so überstürzt bewegen. Wartet, ich will Euch den Kopf massieren.«
    Die Hände der Frau fühlten sich so wunderbar an, daß Faraday tatsächlich für ein paar Minuten still sitzenblieb. Sie schloß die Augen und überließ sich ganz den Fingern, die ihr das Pochen aus dem Schädel strichen.
    »Danke«, flüsterte das Mädchen schließlich, öffnete die Augen und wollte sich die Frau ansehen, deren Hände solche Wunder vollbringen konnten. »Das war wirklich …«
    Sie riß fassungslos die Augen auf und bekam keinen Ton über die Lippen. Hinter ihr saß eine splitterfasernackte Frau, deren glattes weißblondes Haar bis zur Hüfte hinabhing.
    »Aber Herrin, erkennt Ihr mich denn nicht? Ich bin Yr in meiner menschlichen Gestalt.«
    Faraday starrte die Frau noch immer an. »Seid Ihr … könnt Ihr Euch denn einfach so verwandeln?«
    Die Frau lachte tief und dunkel. »Der Wandel fällt nicht leicht, weder mir noch einem anderen von uns. Dazu bedürfen wir einer gewissen Unterstützung. Dieser Ort« – sie zeigte mit der Hand herum – »verfügt immer noch über soviel Zauberkraft, daß die Verwandlung mühelos vonstatten ging.« Yr lachte wieder fröhlich und zwinkerte dem Schweinehirten zu. »Jack hat die Katzengestalt nicht gefallen. Er hielt sie bei verschiedenen Gelegenheiten für unangebracht.« Die Frau zuckte die Achseln. »Aber eine Katze kann Orte betreten, an der eine Dame doch auffiele. Und sie kann gefahrlos Gespräche belauschen, bei denen man einen unerwünschten Menschen sofort umbrächte. Jahrelang bin ich durch die Flure von Karlon geschlichen, mein liebes Kind, und habe dabei so manches aufgeschnappt.«
    »Jetzt reicht’s«, gebot Jack. »Faraday, könnt Ihr schon wieder auf eigenen Füßen stehen?«
    Die beiden halfen ihr hoch. Ihr wurde etwas schwindlig, aber nach einem Moment war sie in der Lage, sich umzusehen. Sie befanden sich in einer trübe beleuchteten viereckigen Steinkammer von etwa vierzig Schritt Länge und fünfzehn Schritt Breite. In der Mitte stand ein Steinblock, eine Art Tisch, der bis in Bauchhöhe aufragte und so vollkommen weiß war, daß er in dem matten Licht glänzte. Zwei Kupferlampen, die an den gegenüberliegenden Wänden angebracht waren, spendeten nur wenig Helligkeit. Faraday drehte sich um und entdeckte, daß die Wand hinter ihnen unter einer Masse von Steinen und Erdreich verborgen lag.
    »Die Lawine hat den Zugang vollkommen zugeschüttet, Herrin«, erklärte Jack. »Niemand kann uns hierher folgen. Die Soldaten oben glauben sicher, daß wir tot sind, begraben unter dem Erdreich.«
    Dem Mädchen lief es kalt den Rücken hinunter. Axis hielte sie sicherlich für tot. Aber vielleicht war das auch besser so. Dann atmete sie scharf ein, denn sie sah Timozel hinter sich reglos auf dem Boden liegen. Sofort trat sie zu ihm und beugte sich hinunter. »Timozel?«
    Yr und Jack sahen sich an. Ihrer Meinung nach hätte der Offizier bei dem Sturz besser das Leben verloren, aber die magische Aura des Stabs hatte ihn weitgehend beschützt. Seine Anwesenheit stellte eine Komplikation dar, auf die sie gern verzichtet hätten. Doch so wie Ogden und Veremund an ihren Auftrag gebunden waren, hatten auch die Katze und der Schweinehirt ihren Eid zu erfüllen. Als Diener der Prophezeiung konnte man vorschlagen und beraten, mitunter auch gewissen Ereignissen ein wenig nachhelfen – aber niemals durfte man so weit gehen, in das Leben selbst einzugreifen.
    Jack seufzte und trat ebenfalls zu dem Axtschwinger. »Faraday, nehmt Eure Hand weg. Ich werde ihm so helfen wie Euch.«
    Das Mädchen verfolgte, wie Jacks Rechte über Timozels Gesicht schwebte. Ein bleiches grünes Licht strahlte aus den Fingerspitzen. Allmählich kehrte Farbe in die Wangen des Offiziers zurück. Nach einigen Minuten regte er sich und stöhnte leise.
    »Faraday«, sprach der Schweinehirt sie an. Das Mädchen war neben Timozel niedergekauert.

Weitere Kostenlose Bücher