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Unter dem Weltenbaum - 01

Unter dem Weltenbaum - 01

Titel: Unter dem Weltenbaum - 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglass Sara
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gräßlichen Schreie jener Bedauernswerten, die von den Eisspeeren durchbohrt worden waren.
    Sie hatten die Hälfte des Wegs zurückgelegt und waren dabei immer wieder von Männern, Rössern und dem wütenden Regen aufgehalten worden, als ein sterbendes, kopfloses Pferd gegen Timozels Schulter prallte.
    »Nein!« rief der Offizier, als er und mit ihm Faraday erneut in den Schlamm gezwungen wurden. Timozel versuchte, ihr aufzuhelfen, aber sie schrie wie von Sinnen und riß sich los.
    Er starrte in ihr entsetztes Gesicht, folgte ihrem Blick und entdeckte auf dem Boden Merlions leblosen Körper. Faradays Knie berührten ihn. Wenige Schritte weiter lag die Zofe, von ihrem eigenen Pferd erdrückt. Ein Eisspeer hatte Merlion hinterrücks durchbohrt, als sie gerade in den Schutz eines Hügels eilen wollte, und die zersplitterten Spitzen ragten der Frau rot verfärbt aus Bauch und Brust. Der Regen hatte das meiste Blut aus ihrem Gesicht gespült, und ihre leeren Augen starrten in den tobenden Himmel. Regentropfen fielen ihr auf die Augen und rannen ihr wie Tränen des Kummers über die bleichen Wangen.
    Der Offizier riß sich von dem furchtbaren Anblick los und legte Faraday die Hände auf die Schultern. Möge Artor ihnen beistehen, dachte er, denn sonst vermag das wohl niemand mehr. Timozel bewegte die Lippen, aber kein Laut löste sich aus seiner Kehle. Faraday schrie nicht mehr, schluchzte dafür aber herzzerreißend, ließ die Katze fallen und schüttelte den Leichnam der Mutter, als sei es möglich, sie wieder zum Leben zu erwecken.
    »Faraday! Faraday!« rief der Jüngling. »Kommt, kommt, wir müssen weiter!«
    Sie hörte ihn nicht, vernahm kein einziges Wort. Timozel mußte jetzt auch weinen, weil um ihn herum soviel Tod und Sterben war. Seine Tränen vermischten sich mit dem Regen, der ihm über das Gesicht strömte. So hatte er sich das Ende nicht vorgestellt. Krieger sollten heldenhaft auf dem Schlachtfeld fallen, im Kampf gegen einen tapferen Feind aus Fleisch und Blut. Nicht aber durch diesen Schrecken, der von einem Höllenhimmel regnete. Timozel schloß die Augen, legte das Gesicht an Faradays Schulter und machte sich darauf gefaßt, schon im nächsten Moment zu sterben.
    »Auf, auf!« drängte eine mahnende Stimme. »Höchste Zeit weiterzugehen, junger Mann. Niemandem ist damit gedient, wenn Ihr einfach in diesem Wetter herumhockt. Und Ihr, liebliche Herrin, reicht mir Eure Hand.«
    Der Offizier hob langsam den Kopf und drehte sich um. Ein Hirte in grober Kleidung und mit einem langen Stab in der Hand beugte sich zu ihnen herab und lächelte sie an. Das Chaos ringsum schien ihm nicht das mindeste auszumachen. Ein schlichtes Gemüt, dachte Timozel. Aber was hatte ein solcher Bauer überhaupt hier verloren?
    Ich muß bereits tot sein, dachte der Offizier. So etwas konnte in der Wirklichkeit nicht geschehen. Ich bin tot und zur Strafe für meine Sünden in die Wirrnisgruben des Nachlebens geworfen worden.
    »Aber nein, nein«, sagte der Fremde und lächelte noch freundlicher, »dies alles ist so wirklich wie die Sonne, die jeden Morgen aufgeht. Aber wie schrecklich, daß der Zerstörer schon so weit gekommen ist. Nun, zu viele von uns halten sich hier auf und bilden ein überaus verlockendes Ziel. Nun kommt, auf! Wir müssen weiter. Man kann nie wissen, womit er uns als nächstes überrascht.«
    Faraday beruhigte sich beim Anblick des Hirten ein wenig. »Jack«, sagte sie leise.
    »Hoch mit Euch«, drängte der Mann und ergriff ihre Hand. Es war ihm offenbar wirklich ernst damit, daß sie rasch von hier verschwanden. Im nächsten Moment riß er auch den Offizier hoch und rief: »Yr, du mußt jetzt selbst ein paar Schritte gehen. Wenn du dicht bei uns bleibst, geschieht dir nicht allzuviel. Der schlimmste Sturm scheint ohnehin vorüber zu sein.«
    Die Katze blieb dicht bei Faradays Beinen, während Jack sie sicher führte und geschickt über die Leiber der gefallenen Pferde und Soldaten stieg. Dabei sprach der Schweinehirt fortwährend beruhigend auf sie ein, und auch wenn seine Sätze keinen rechten Sinn ergeben wollten, legte sich Faradays und Timozels Entsetzen. Der Beschuß durch die Eisspeere hatte aufgehört. Zwar regnete und stürmte es noch, aber dieses Unwetter wirkte jetzt nur noch wie ein gewöhnliches Herbstgewitter und nicht mehr wie das Wüten übernatürlicher Kräfte. Jack blieb vor einer Gruppe Soldaten und Pferden stehen und wandte sich an den Jüngling.
    »Junger Herr«, erklärte er

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