Unter dem Wolfsmond – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)
habe der Einsatzzentrale ausdrücklich gesagt, daß ich Bill persönlich hier haben wollte und niemand anders.« Bill Brandow war der Sheriff des County, und wenn er auch nicht direkt mein bester Kumpel war, dann war er doch zumindest ein guter Bekannter. Eines Abends hatte ich ihn mal auf ein paar Kanadische eingeladen, und wir hatten Polizeigeschichten ausgetauscht. Der Mann strahlte solide Kompetenz und absolute Vertrauenswürdigkeit aus. Sein Gesicht wollte ich in diesem Augenblick sehen, und nicht diese beiden Kids, die so aussahen, als hätten sie sich für einen Kostümball ihrer Schule als Hilfssheriffs verkleidet.
»Ich sagte es Ihnen bereits, Mr. McKnight. Der Sheriff kann im Moment nicht hier sein. Sie werden sich erst einmal beruhigen müssen.«
»Eine Frau ist entführt worden«, sagte ich. »Sucht irgend jemand im Moment nach ihr? Hat Bill vor, noch was anderes zu machen als zwei Teenager herzuschicken, die mir erzählen, ich solle mich erst einmal beruhigen?«
»Ist Ihnen schon mal der Gedanke gekommen, daß der Sheriff vielleicht in diesem Moment nach ihr sucht?« sagte er. »Und nach diesem Kerl – wie war gleich der Name?«
»Bruckman«, sagte ich. »Lonnie Bruckman.«
»Wo soll der Sheriff denn nun sein, Mr. McKnight? Draußen nach den beiden suchen oder hier im Schnee rumstehen, um Sie zu trösten?«
Ich ballte meine Hände in den Handschuhen zu Fäusten, blickte in den Winterhimmel, holte tief Luft und atmete langsam wieder aus. »Okay. Sie haben recht. Dann wollen …«
»Erzählen Sie uns, was passiert ist. Wo ist die Hütte, in der sie gewesen ist?«
»Hier runter. Gleich hinter der Kurve.«
Wir stiegen alle in den Wagen des County, die beiden Deputies vorne und ich hinten. Es waren weniger als fünfhundert Meter bis zur ersten Miethütte, aber wir fuhren langsam die Straße entlang, die Reifen knirschten in den fünfzehn Zentimetern Neuschnee, die seit meinem letzten Schneeräumen schon wieder gefallen waren. Ich gab ihnen eine Kurzversion des bisher Geschehenen. Dorothy hat mich in der Kneipe getroffen. Sie hat mich um Hilfe gebeten. Die Art, wie sie über Lonnie gesprochen hat. Die Angst in ihrer Stimme, als sie sagte, er würde sie töten, wenn er sie fände.
Wir stiegen aus dem Wagen und standen einen Moment da, während die Deputies die Straße in beiden Richtungen musterten. »Sie war diese Nacht allein in der Hütte?« fragte die Frau.
»Ja«, sagte ich. »In meiner Hütte ist wirklich nicht viel Platz. Und außerdem …« Ich beendigte den Satz nicht.
Die beiden tauschten einen schnellen Blick, als sie durch den Schnee zur Hütte stapften.
»Keine Fußspuren hier«, konstatierte er.
»Ich habe auch keine gesehen«, sagte ich. »Letzte Nacht ist zuviel Schnee gefallen.«
»Auch keine Reifenspuren?«
»Nein«, sagte ich. »Nichts dergleichen.«
»Aber selbst mit dem Schnee«, sagte er. »Irgendwas müßte man doch sehen, oder? So viel hat es dann doch nicht geschneit.«
»Als ich die Straße geräumt habe, sah sie vollkommen unberührt aus. So als sei seit Tagen niemand mehr hier hergefahren.«
»Ist die unabgeschlossen?« fragte er, als er vor der Tür stand.
»Ja«, sagte ich. »Sie war auch heute morgen unverschlossen.«
»War sie letzte Nacht verschlossen?«
»Ja, sie hat abgeschlossen, als ich gegangen bin.«
Wieder sahen sich die beiden Deputies an. Ich spürte plötzlich den Drang, ihre Köpfe gegeneinander zu schlagen. »Können wir jetzt mal etwas ein für allemal klarstellen?« sagte ich. »Sie hat letzte Nacht allein in dieser Hütte geschlafen. Und ich in meiner.«
»Niemand hat etwas anderes behauptet«, sagte er.
»Wären wir in derselben Hütte gewesen, wäre das alles nicht passiert.«
»Wir verstehen Sie durchaus«, sagte er. »Bitte, lassen Sie uns die Sache doch gemeinsam klären.« Der Deputy stieß die Tür auf und sah nach drinnen.
»Vorsicht«, sagte ich. »Vernichten Sie keine Spuren.«
»Das mache ich schon nicht.«
»Das ist mir ernst. Was, wenn da drinnen wichtige Indizien sind?«
»Wenn wir so was sehen, sichern wir das in einem Tütchen.«
»Nein, ich spreche von Haaren, von Faserspuren, von …«
Jetzt sahen mich beide an. Er hat den Quatsch im Fernsehen gesehen, dachten sie bestimmt. Jetzt erwartet er, daß wir hier ein Labor einrichten und Mikrofasern mit der Pinzette sichern.
»Ich war selber mal Polizist«, erklärte ich. Damals, als die Dinosaurier die Erde beherrschten. »Schon gut. Machen Sie nur.«
»Wir
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