Unter dem Wolfsmond – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)
ihn sprechen?«
»Er ist noch in einer der Arrestzellen«, sagte er. »Im Moment haben wir da oben Platzprobleme. Wissen Sie, wenn er das Reservat benachrichtigt, kommen die und holen ihn. Meinen Sie nicht auch, daß er lieber bei denen im Gefängnis sitzt?«
»Ich glaube eher nicht«, sagte ich. »Aber dafür muß man ihn kennen.«
»Also, er hat einen Soo-Polizisten, der allerdings nicht im Dienst war, ganz schön zugerichtet. Hat ihm die Nase gebrochen und eine Gehirnerschütterung verpaßt.«
»Wie ist das passiert?«
»Ich weiß es nicht genau. Die Soo-Typen haben ihn angeschleppt. Ich weiß nur, daß es was mit einem Hockeyknüppel zu tun hat.«
»Oh Gott«, sagte ich. »Können Sie mich zu ihm bringen, bitte?«
»Es ist ’ne Verhaftung vom Soo«, meinte er. »Sie müßten’s dort versuchen.«
»Es ist Ihr Gefängnis, Bill. Das letzte, was ich jetzt möchte, ist Chief Maven sprechen.«
Zum erstenmal, seit ich gekommen war, lächelte er. »Das kann ich Ihnen nicht verdenken«, sagte er. »In Ordnung, ich sehe mal, wie ich Sie da reingeschmuggelt kriege. Wenn Maven allerdings dahinterkommt, haben Sie ihn auf dem Hals.«
»Macht nichts«, sagte ich. »Schlechter kann der Tag nicht mehr werden.«
Im Erdgeschoß gab es vier Arrestzellen, einfache Käfige mit Bänken an den Seiten und einer Einzeltoilette an der Rückwand. Das Gefängnis des County lag auf der ersten Etage. Diese Zellen waren eher für Verdächtigte gedacht, die auf die Anklageerhebung warteten, aber heute waren vier oder fünf Männer in jeder Zelle.
»Mein Gott, was ist denn hier los?« fragte ich.
»Sagte ich doch. Wir haben hier oben das Haus voll. Viele davon hat der Soo angeschleppt, sind mit Drogen über die Brücke und so. Wir haben schon im Staatsgefängnis in Kincheloe angerufen. Die überlegen gerade, wie sie uns über die Runden helfen.«
»Wo ist Vinnie?«
»Letzte Zelle am Gang«, sagte er. Wir gingen einen schmalen Korridor entlang, der an den Zellen vorbeilief. Die Leuchtstoffröhren über uns summten und flackerten, anderes Licht gab es nicht, keinen Sichtkontakt mit der Außenwelt. »Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie ihn dazu überredet bekämen, eine Kaution zu hinterlegen. Ich kann ihn hier wirklich nicht brauchen, Alex.«
»Wieso Kaution? Ist denn schon Anklage erhoben worden?«
»Zehntausend Dollar«, sagte er.
»Mein Gott, Bill.«
»Seinetwegen liegt ein Polizist im Krankenhaus, Alex. Tausend Dollar muß er aufbringen, das wissen Sie doch.«
»Hat er irgendwo angerufen?«
»Nein. Seit gestern abend sitzt er bloß stumm da.«
»Das darf doch nicht wahr sein«, sagte ich. Als wir zur letzten Arrestzelle kamen, sah ich ihn dasitzen und auf den Boden starren. Er sah nicht auf.
»Vinnie«, sagte ich.
Er blieb stumm. Es waren drei weitere Männer in der Zelle. Zwei Langhaarige saßen auf der Bank und bemühten sich krampfhaft, nicht ängstlich dreinzublicken. Ein sehr großer, sehr häßlicher Mann in Arbeitskleidung stand an der Rückwand.
»Vinnie«, sagte ich.
Nichts.
»Ich laß euch zwei mal allein«, sagte Bill. »Und denken Sie dran, wenn Maven Sie hier findet, hatte ich nichts damit zu tun.«
»Trotzdem vielen Dank«, sagte ich. Als er weg war, schnappte ich mir einen der Klappstühle, die im Korridor rumstanden, und setzte mich. Lange Zeit sah ich Vinnie an und wartete darauf, daß er etwas tat oder etwas sagte. Beides geschah nicht.
»In Ordnung, Vinnie«, sagte ich schließlich. »Willst du hier den ganzen Winter bleiben, oder soll ich dir raushelfen?«
»Ich bleibe hier den ganzen Winter«, sagte er. Als er aufsah, bemerkte ich ein prächtiges Veilchen unter seinem rechten Auge.
»Das machen die Indianer so«, erklärte der Mann an der Rückwand. »Die lassen sich einbuchten, damit sie den Winter im Knast verbringen können.«
»Vielen Dank für die Aufklärung«, sagte ich. »Und jetzt können Sie sich ins Knie ficken.«
»So würden Sie nicht reden, wenn da kein Gitter nich zwischen uns wär.«
»Da haben Sie recht, daß ich das nicht täte. Ich würde statt dessen Ihren Schädel in das Klo da stecken.«
Er grinste. Seiner Schönheit half das nicht auf. Die restliche Zeit, die ich dort verbrachte, starrte er mich an, die Arme vor der Brust verschränkt.
»Schön, jetzt erzähl mir mal, was passiert ist«, sagte ich zu Vinnie. »Warum um Himmels willen hast du mich nicht angerufen?«
»Was hätte ich denn sagen sollen?«
»Daß man dich verhaftet hat und daß ich dich holen kommen
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