Unter dem Wolfsmond – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Alex-McKnight-Serie (German Edition)
es.«
Als er weg war, hatte ich nichts zu tun als dazuliegen und nachzudenken. Ich nahm weitere Tabletten. Ich benutzte die Bettpfanne. Lange halte ich das nicht mehr aus. Ich verliere hier noch meinen verdammten Verstand.
Vinnie kam zur Abendessenszeit. Sie hatten mir gerade ein Tablett hereingerollt mit irgendeiner Art Fleisch mit irgendeiner Art Sauce mit irgendeiner Art von Gemüse und grünem Gelee in einer Extraabteilung. »Das sieht ja zu schön aus, um es zu essen«, meinte er.
»Ich lade dich gerne dazu ein.«
»Nein danke«, sagte er. »Ich komme gerade von einem Steak im Glasgow. Weißt du, mit dieser Cognacsauce, die Jackie immer macht.«
»Du bist ein grausamer Mensch«, sagte ich.
»Ich halte die Straße frei«, sagte er. »Ich benutze deinen Wagen dafür. Und ich habe nach den Hütten gesehen, allerdings sind schon ein paar Jungs gegangen. Ich weiß nicht, ob sie dich im voraus bezahlt haben oder nicht.«
»Das tun sie nie«, sagte ich. »Aber mach dir deshalb keine Sorgen. Vielen Dank, daß du eingesprungen bist.«
»Kein Problem«, sagte er. Er stand lange da und sah nur auf den Fußboden. »Es tut mir leid, Alex.«
»Was tut dir leid?«
»Die Art, wie ich neulich mit dir gesprochen habe. Nachdem wir bei Dorothys Eltern waren.«
»Vergiß es«, sagte ich. »Ich hätte auch etwas mehr Verständnis zeigen können.«
Er sah die Maschine an. »Pumpt das Ding wirklich Luft in dich? Was passiert, wenn ich den Zeiger hier zum Ausschlagen bringe?« Er tat so, als betätige er einen Schalter. Ich zuckte zusammen.
»Ah! Verdammt, Vinnie! Was bin ich froh, daß du vorbeigekommen bist.«
»Ich hatte ihn, Alex«, sagte er. »Ich hatte ihn direkt hier.« Er hielt die Hände hoch und fixierte den Raum zwischen ihnen.
»Wen? Bruckman?«
»Ich wollte ihn nicht loslassen«, sagte er. »Aber dann fing Prudell an zu schießen. Ich hatte Angst, er würde mich treffen.«
»Er würde dich niemals töten«, sagte ich. »Vergiß nicht, er hat zehntausend Dollar Kaution für dich gestellt. Ich weiß nicht ganz genau, wie die Bestimmungen sind, aber ich bin ziemlich sicher, daß er die Kaution verliert, wenn er dich erschießt.«
»Die Kaution«, sagte er, als sei er traurig, daß ich dieses Thema angesprochen hatte.
»Wann ist der Prozeß?« fragte ich.
»Nächste Woche.«
»Jetzt wo sie mehr über Bruckman wissen, können sie nicht allzu hart mit dir umspringen.«
»Ich weiß nicht. Sie mögen es grundsätzlich nicht, wenn ein Indianer einen Polizisten attackiert. Egal aus welchem Grund.«
»Der Stamm sorgt für deine rechtliche Vertretung?«
»Ja«, sagte er und sah wieder auf den Boden. »Das wird er.«
»Dorothy ist doch immer noch eine von euch, oder?«
»Wie meinst du das?«
»Sie ist immer noch ein Mitglied eures Stammes, auch wenn sie schon lange weg ist?«
»Natürlich ist sie das.«
»Was unternehmen deine Leute denn ihretwegen? Versuchen sie, sie zu finden?«
»Ich denke schon. Eins kann ich dir sagen. Wenn ich ihn jemals wieder in die Finger kriege, bringe ich ihn um. Ich erwürge ihn, Alex. Er ist böse. Ich konnte das in seinen Augen sehen.«
»Ich weiß«, sagte ich. »Ich habe es auch gesehen.«
»Nun gut«, sagte er. Es klang, als käme er widerwillig aus weiten Fernen zurück. »Meine Schicht im Kasino beginnt. Ich bin froh, daß es dir gutgeht. Ich meine, den Umständen entsprechend.«
»Schön, daß du hier warst«, sagte ich. »Das war wichtig für mich.« Die Tabletten ließen mich wieder sentimental werden.
Als er weg war, versuchte ich eine Zeitlang zu lesen, aber das löste ein Dröhnen in meinem Schädel aus. Der Versuch fernzusehen machte alles noch schlimmer. Wohl die Tabletten oder die Gehirnerschütterung oder Gott weiß was. Also lag ich im Bett und dachte an Baseball, warum auch immer. Ich spielte einige Spiele in meinem Kopf nach. Wie lange lag mein letztes Spiel zurück? Es war ein Triple-A-Spiel in Columbus, September 1972. Ich erinnerte mich an meinen letzten Einsatz am Home Plate, ein gut getroffener Ball ins linke Feld. Er landete im Handschuh eines Outfielders, ganz knapp vor einem Home Run. Besser konnte man meine Spielerkarriere nicht auf den Punkt bringen. Es schien Ewigkeiten zurückzuliegen, aber wenn ich auf meine Hände blickte, sah ich noch die Spuren von vier Jahren Spiel hinter dem Plate, all die Fastballs und all die Foul tips.
Und unter den alten Narben die frischen Schürfwunden an meinen Gelenken. Das Seil war so eng gewesen. Und schon lag
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