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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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verlaufenen Abendessen, verzichtete er gerne darauf.
    Er hatte zu Carla gesagt, Martin Gold m ann sei sein Pate, a ber m i t dem scharf e n Verstand, der sie zu einer so ernstzuneh m end e n Gegnerin m achte, war sie dieser Lüge sofort auf die Spur gekom m en.
    »Ist er konvertiert ? «
    »Nein, wieso ? «
    » W eil Gold m ann ein jüdischer Na m e ist. Nur Katholiken können die Taufpaten von je m andem sein. Oder Evangelische, je nachde m .«
    » W oher willst du das wisse n ? Ich denke, dein Vater ge h t nic h t m ehr zur Kirche.«
    »Tut er auch nicht. Ich weiß es von Marianne.«
    »Na schön, er ist ein F r eund m einer Eltern.«
    »Und warum«, hatte das rothaarige W esen m it seiner h art nä ckigen Spürnase für verwundbare Stellen gefragt, »machst du dann so ein Theater d ar u m ? «
    Nun hörte er den S tim m en seines Vaters und Martin Gold m anns zu, wie er es sein Leben lang schon getan hatte, und m erkte wieder ein m al, daß er auf die dritte, verlorene Stim m e wartete. Abrupt stand er von seinem Sch e m el auf, ging zum Fenster, löste die Riegel und at m ete die Nachtluft ein, die wo h ltuend kalt und schneidend in seine Kehle strö m te.
    »Robert, m a ch das Fenster wieder zu. Es ist viel zu kalt, du holst dir noch den Tod.«
    Sein Vater hatte eben fa lls den Mund geöffnet, um zu protestieren, aber als Dr. Gold m ann ausgesproch e n hatte, m einte er statt dessen:
    »Ach, laß mal, Martin. Der Junge ist ja nicht aus Zucker.«
    Er schaute sich suchend u m . » W o ist denn nur…«
    Sie waren so berechenbar, alle beide. Er k ä m pf t e gegen die Versuchung, zu sagen, was seine Mutter immer gesagt hatte, und sie zu bitten, m it dem Getue aufzuhören. Begonnen hatte es, als er zwei Jahre alt w a r, als Bar ba ra König m it ihm in Dr. Gold m anns Praxis kam und M a rtin Gold m ann sich in Mutter und Sohn verliebte.
    »Robert, weißt du, wo die Flasche m it d e m Cognac geblieben ist? Jet z t b r auc h en wir ja ni cht m ehr p a tri o ti s ch zu sein und d ü r f en das Zeug wieder trinken!«
    Erst seit dem Tod seiner Mutter war ihm nach und nach klargeworden, daß ihr Haushalt nach anderer Leute Maßstäben nicht nor m al organisiert gewesen war. Solange er sich erinnern konnte, hatte er zwei Väter gehabt, Papa und Dada Gold m ann, aber keiner von beiden war so wichtig wie seine schö n e, strenge Mutter gewesen. Beide hatten sie vergöttert, was ihr hin und wieder lästig fiel. U m nicht daran zu denken, holte Robert die F lasche, nach der sein Vater suchte, aus dem Papierkorb, in dem er sie versteckt hatte.
    Dada Gold m ann legte seine Stirn in tiefe Falten und fragte scharf:
    »Meinst du nicht, daß du für den Abend genug getrunken hast ? «
    »Genug, G e nügsa m keit, genügend, ungenügend«, erwiderte Roberts Vater in seiner üblichen trägen, gutgelaunten Stimme u n d zwinkerte Robert zu. »Es gibt k e in Genug auf dieser W elt, Robert, m erk dir das. Sei nie mit dem zufrieden, wo m i t dich die Leute abspeisen wollen.«
    Es war wie im m er leicht, seine P a rtei zu ergrei f en und sich über Dada Gold m anns Mißbilligung zu a m üsieren. Robert kam in den Sinn, daß P apa sich benah m , als sei Dada Gold m ann sein Vater. Doch er wußte auch noch, warum er die Flasc h e überhaupt verstec k t hatte. Unwillkürlich h ö rte er wie d er die klare, m e l odische Stimme seiner Mutter, wie sie ohne Ärger, aber auch ohne Mitleid erklärte:
    »Rainer, du bist inzwischen zu alt, um noch jungenhaft zu sein, und ich bin zu jung und zu beschäftigt, um deine Mutter zu spielen.«
    Um die Stimme aus der Vergangen h eit zu übertönen, fragte Robert, an Martin Gold m ann gewandt: »Was hat denn der Herr Fehr heute Abend gehabt ? «
    Dada Gold m ann zöge r t e, schaute zu Roberts Vater, zuc k te die Achseln und setzte sich ebenfalls.
    »Er legt wohl keinen Wert auf Besucher, d ie seine zweite Frau kannten.« Er seufzte. »Das kleine Mädchen sieht ihr nicht sehr ähnlich, bis auf die Augen und die H ä nde. Außerdem scheint sie ruhig und still zu sein, während Angharad…«
    Robert verbiß sich einen W iderspruch, obwohl er Carlas Charakterisierung als »ruhig und still« ko m isch fand.
    »Sie hatte die be m erkenswerte s te Stim m e, die ich je gehört habe«, fuhr Dada Gold m ann ve r sonnen fort. »Es ist ein Jammer, daß es keine phonographischen Aufzeichnungen von ihrer Stim m e gibt. Deine Mutter war da ganz m einer Ansicht. ›Sie hätte n ie die Büh n e aufgeben dürfen‹, pflegte

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