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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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sie zu sagen, und wir waren nicht die einzigen, die so dachten.«
    Wenn es etwas gab, das Papa und Dada Gold m ann g e m einsam hatten, dann war es die Tendenz, jedes Gespräch früher oder s p äter auf Roberts Mutter zu lenken. W eniger aus echtem I ntere s se als aus dem B e m ühen heraus, das Unver m eidliche noch eine W eile aufzuschieben, fragte Robert:
    » W er dachte denn noch so ? «
    »Eine Menge Menschen«, antwortete Martin Gold m ann, »und natürlich Angharad sel b st. Sie wollte zurückgehen. Aber dann starb sie.«
    » W arum h a st du m ich nicht daran erinnert, daß du sie gekannt hast ? « unterbrach Rainer König, und dies m al klang er eindeutig str e its ü chti g . »Der alte Heinz i s t fu rchtbar e m pfindlich in dieser Angelegenheit.«
    »O ja«, entgegnete Dada Gold m ann sarkastisch, »Herr Fehr ist ein e m pfinds a m er Mensch.«
    Roberts Vater beharrte störrisch: »Er ist ein guter Kerl, wenn m an ihn richtig kennt. Versteht Spaß. Nicht so wie m anche Schlawiner, die andere nur hinters Licht führen wollen…»
    Dada Gold m ann stand auf. »Ich glaube, es ist besser, wenn ich jetzt gehe. Gute Nacht, Rainer.«
    Dann u m ar m t e er Robert ostentat i v, und Robert stellte überrascht fest, wie dünn Dada Gold m ann im l e tzten Kriegsjahr geworden war.
    »Gute Nacht, Robert.«
     
    »F a m ilien sind furchtbar«, sagte R obert ei n i ge Tage später ungewohnt heftig zu Carla, und sie s t im m t e ihm zu. »Ich wünschte, ich hätte k eine.«
     

2. KAPITEL
     
    Die Räterepublik, die nach der Er m ordung Eisners ins Leben gerufen wurde, hatte den Frühling nic h t überlebt. F ür Carla und Robert waren die Geschichten von den i l legalen Freikorps, die München nach Kommunisten durchsuchten, zunächst nur eine Möglichkeit, einander m it Schreckgeschichten zu übertru m pfen. Dann wu r de auch Dr. Gold m anns W ohnung durchsucht, und einer seiner Freunde verschwand.
    »Dada m eint, diese Korpsleute würden von der Polizei unterstützt. Aber dann müßten die Gefängnisse doch langsam aus allen Nähten platzen«, sagte Robert. Sie besucht e n eine der Badeanstalten entlang der Isar, was Annis Idee gewesen war. Carlas Stief m utter stand im Wasser und spritzte lachend ihren Mann naß, der so gutgelaunt und aufgeräu m t wie selten wirkte. Es war ein sc h öner Tag, aber Carla, die dank der hellen Haut der Rot h aarigen sehr leicht einen Sonnenbrand bekam, saß auf einem Hand t uch im Schatten, und Robert, der nicht zu g eben wollte, daß er nic h t schw i m m en konnte, saß n eben ihr. Carla zerrte etwas an dem Badea n zug, den sie trug. Er gehörte eigentlich Anni; die Größe paßte, doch das Leinen m it den blauen Streifen war für Carla einfach zu breit geschnitten.
    »Du bist doch naiv«, sagte sie, denn diesen Au s druck hatte sie erst gestern in einem Ro m an gefunden, und sie wollte ihn unbedingt verwenden. »Die stecken nie m anden i n s Gefängnis. Sie erschießen die Leute.«
    Dieses W i ssen verdan k t e sie einem Gespräch zwischen Fräulein Brod und F r au Hallgarten, das sie m it angehört hatte. Beide hatten so entsetzt und unglücklich gewirkt, daß sie wußte, sie s o llte eigentlich ebenfalls entsetzt und unglücklich sein, aber sie kannte nie m anden, der erschossen worden war, und so ging es ihr nicht näher als all die Toten am Ende der Nibelungensage.
    »Ich bin nicht naiv«, entgegnete Robert verärgert, der den Ausdruck ebenfalls kannte. » W enn hier einer naiv ist, dann bist es du.
    Ich wette, du weißt überhaupt nichts von den w i rklich wichtigen Sachen.«
    Sie rü m pfte die Nase. Da sie ihre Brille abgesetzt hatte, konnte sie von den B a denden nur die U m risse erkennen, große, helle Farbflecken m it dunklen Tupfern auf dem Kopf. Aber Annis Lachen und die tie f e Stimme ih r es Vat e rs waren u n verwechs e l b ar, a l so wu ß t e s i e, wo die beiden sich befanden. Ihr Vater war in der letzten Zeit oft gutgelaunt; er hatte sogar versprochen, si e wieder i n s Theater m itzuneh m en, und sie gefragt, ob sie gerne v e rreisen würde, jetzt, wo Reisen wieder m öglich waren.
    »Und ich wette, es gibt kein Fach, in dem ich nicht besser bin als du.«
    »Da hast du’s. Ich rede doch nicht von Schulkra m . Ich wette, du weißt überhaupt nichts darüber, wie ein Mann u nd eine Frau es tun, oder ? «
    »Das weiß ich schon längst«, sag t e sie rasch, aber Robert, der selbst g u t l o g, war sich d ies m al seiner Sache sic h er.
    »Das glaube ich nicht.

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