Unter dem Zwillingsstern
erleichtert darüber gewesen, daß Carla dieser Frau nicht besonders ähnelte, aber das Rouge, das ihr Anni ins Gesicht gerieben hat t e, betonte ihre Wangenknochen und ließ ahnen, wie sie aus s ehen würde, wenn die kindliche W e ichheit erst ein m al verschwunden wäre. Die schwarze U m randung ließ die blaugrüne F arbe der Augen intensiv leuchten.
Auf d e m G a rderobentisch stand ein dreiteiliger Spiegel, und Marianne sah sich selbst m ehrfach r e flektiert. Das läh m ende G e fühl, unzulänglich zu sein, das sie jedes m al in Gegenwart von Carlas Mutter u m klammert gehalten hatte, pac k te sie erneut, und einen Mo m ent lang konnte sie nicht sprechen. D a nn sam m elte sie sich wieder und sagte, wozu sie gekom m en war, obwohl sie um jedes einzelne W ort ringen m ußte.
»Ich m öchte Sie b itten, m ich bei m einem Va t er zu unter s tützen, gnädige Frau. Carlas Erstkommunion…«
Sie hielt inne. Seit Monaten v e rsuchte sie nun schon, ihren Vater zu überreden, Carla Kommunionsunter r ic h t zuteil werden z u lassen. Sie kannte genügend Geistliche, die bereit gewesen wären, das Mädchen zu unterrichten. E s war wirklich m ehr als an der Zeit für Carlas Erstkom m u nion, aber sie m ußte vorbereitet werden, wie es sich gehörte. I h r Vater b lieb unnachgiebig.
» W enn es etwas Schlim m eres gibt als die verdammten Kommunisten«, erklärte er, »dann sind es die Pfaffen. Sie waren nicht da, als ich sie gebraucht habe. Mir kom m t keiner m ehr ins Haus.«
Seine Kindfrau um Hilfe zu bitten war f ür Ma r i anne das l e tzte e r denkliche Mittel. Jeder konnte sehen, wie er diese A nni vergötterte; er würde es ihr gewiß ni cht absc h la g en.
»Es ist an der Zeit für Carlas E r stkom m union«, schloß sie etwas unbeholfen.
Anni fühlte sich im m er etwas eingeschüchtert in Mariannes Gegenwart, und nachdem sie sich m o natelang vergeblich be m üht hatte, die Freun ds chaft die s er ältesten T o chter ih r es Gatten zu erringen, begegnete sie diesem Bruch in M a riannes Unnahbarkeit zunächst m it stum m er Verblüffung. In Mariannes Miene veränderte sich etwas. Die Person will m i ch betteln lassen, dachte sie, u nd dann, u n gewollt, denn ihre Gedanken konnte sie nicht so fest i m Zaum halten wie ihre Sprache: D a s Luder!
Carla dagegen hatte sich längst von ihrer Überr a schung erholt.
»Muß das jetzt sein, Marianne ? « fragte sie überdrüssig. Marianne m i t ihrem religiösen Eifer, und das gerade als Anni m it der Wahrheit über Männer und Frauen herausr ü cken wollte.
»Ja«, gab Marianne schärfer als b eabsic h ti g t zurück. »U n d wisch dir das Zeug aus dem Gesicht! Da m it siehst du aus wie eine…«, es war zu spät, das W ort ließ sich nicht m ehr aufhalten, »Schla m pe von der Stra ß e!«
Ihre Gereiztheit richtete sich m ehr gegen die tote Angharad als gegen Carla oder Anni, aber das konn t e Anni nicht wissen. S ie fand die Äußerung nur ge m ein Carla gegenüber und war durch Mariannes Gegenwart und ihr ungewohntes Verh a lten angespannt genug, um sie auch auf sich zu bezie h en.
»Na«, sagte sie beleidi g t, »das war aber nicht sehr nett, Marianne.«
»Marianne ist nie m als nett«, komme n ti e rte Carla, die ho ff te, ih r e Schwester werde endlich gehen, wenn sie verärgert genug war. »Sie besteht nur aus Essig.«
Als Anni nervös kicherte, riß Mariannes Gedul d sfaden endgültig.
»Ihre Ehe m it m einem Vater«, s a gte sie eisig, »gibt Ihnen kaum das Recht, m ich m it meinem Vorna m en anzusprechen. A b er Manieren kann m an von Ihnen natürlich nicht erwarten.«
Annis Kichern versiegte. »Ich weiß net, warum Sie so ge m ein zu m i r sind, F r äulein Marianne«, sagte sie, und das schlim m ste für Marianne war, daß sie es auch so m einte. »Aber Sie tun m i r leid.«
Das war unerträglich. Und unverze i hlich. W ährend Marianne wortlos den Raum verließ, w ußte sie, daß sie sich dafür rächen würde.
Carla schaute ihr nach. Die fröhliche Stim m ung von vorhin war nun endgültig verflogen, und Anni hatte kaum m ehr die Zeit und wahrscheinlich auch nicht die L u st, ihre Fragen zu beantworten. Mir tut Marianne nicht im geringsten leid, dachte si e. Spielverderberin. Ich hoffe, sie geht bald wieder zu ihren Großeltern. Carla s etzte ihre Brille wieder auf, legte den Kopf schräg und spähte nach ihrem Bild in Annis Spiegeln.
»Sehe ich wirklich schlampig aus ? «
Anni zog sie vom Boden hoch und u m a r m te sie. Es war schön, u m
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