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Unter dem Zwillingsstern

Titel: Unter dem Zwillingsstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Ich glaube, du hast überhaupt keine Ahnung.«
    Ihr lag ein »Habe ich doch« auf der Zunge, aber sie hielt es zurück. Es war höchst unangenehm und ä r gerli c h, aber er hatte recht. Ihre Neugier kämpfte noch einige Momente m it ihrem Stolz und gewann.
    » W enn du so viel weißt, dann sag es doch.«
    Er grinste zufrieden, das konnte sie trotz ihrer Kurzsichtigkeit nur zu gut erkennen, und sie nahm sich vor, bei nächster Gelegenhe i t m ehr herauszufinden, als er gleich erzählen würde. W enn nötig, dann konnte sie F r äulein Brod erpress e n, denn daß Fräulein Brod m it den Kommunisten sy m pathisierte, die laut ih r em Vater a lle V e rbrec h er waren und von der Polizei eingesperrt wurden, w ußte sie längst.
    » W as kriege ich dafür ? «
    »Ich m ache deine Mathe m atikaufgaben«, gestand sie ihm widerwillig zu. Sie m ochte Mathe m atik s elbst n icht b esonders, a b er dank des jahrelangen Unterrichts von Frä u lein Brod war sie besser darin als Robert, der sich i mmer noch weigerte, seine anstehen d e Rückkehr in die Schule im Herbst ernst zu neh m en, und Fräulein Brod m it seiner Mißachtung aller für ihn unint e ressanten F ächer zur V erzweiflung trieb.
    »Abg e m acht«, sagte er und breitete sein weltliches W i ssen gönnerhaft vor ihr aus. Als er f ertig war, starrte sie ihn ungläubig an.
    »Das ist ja ekelhaft! Du hast da sicher etwas falsch verstanden. So etwas würde doch keiner freiwillig tun!«
    »Jeder tut es so«, protestierte er und genoß seine Überlegenheit, bis sie ihn ins Gras stieß und zum Ufer lief. Ihre langen roten Zöpfe flogen hinter ihr her. Er verstand nicht, warum sie sich so sehr aufregte; sie war so n st nicht zi m perlich und hatte gerade vorhin sogar eine Schnecke ü b er ihre Hand laufen lassen.
     
    Anni dabei zuzusehen, wie sie sich zum Ausgehen am Abend zurecht m achte, bereitete Carla im m e r wieder V ergnügen. E s lag ein Ele m ent von spielerischer Verkleidung und Maske darin; Anni war noch nicht lange genug an Reichtum gewöhnt, um nicht alles ausnutzen zu wollen, was ihr zur Verfügung stand, und sie war zu jung, um es nic h t auch ein wenig ko m i sch zu finden.
    »Daß ich sie net alle tragen darf«, seufzte sie, während sie i h re Perlenketten anschaute, und dann ver b rachten Carla und sie eine lustige Viert e lstun d e da m it, si c h sovi e l Schmuck wie möglich u m zuhängen. Anni zeigte d e m Mädchen, wie m an sich schminkte, blickte in den Spiegel und prustete.
    »Jetzt schaun wir aus wie aufm Fasching!«
    Carla m ochte das Gefühl von Creme auf den Lippen, den Puder und die kühle Tusche unter ihren Augenbrauen. Sie at m ete das Parfüm ein, d a s Anni gerade großzügig in der Luft verspritzte, hustete etwas und fragte dann:
    »Du, Anni, stim m t es, daß Männer in Frauen hineinpinkeln ? «
    Anni lachte wieder und teilte ihr m it, nein, so sei es nicht, doch ehe Carla noch Zeit hatte, die Befri e digung zu genießen, Robert einer Fehlinfor m a tion überführen zu könn e n, fiel ihr ein, daß sie sich am besten gleich der richtigen Details vergewi s s e rte. Anni war zw a r nicht die Klügste, aber eindeutig er w achsen und eine Frau; sie wußte Bescheid und war viel zu gut m ütig und zu schwatzhaft, um ein Gehei m nis für sich zu behalten.
    » W ie m achen sie es da n n?«
    Einen Augenblick sah e s so aus, als wollte A n ni ihr a u sweichen, aber dann at m ete sie tief durch und begann: »Also…«
    Weiter k am sie n icht. Zu Carlas großer Verärgerung klopfte es. Die Stim m e ihrer Schwester drang durch die Tür.
    »Gnädige Frau, ich würde gerne m it Ihnen sprechen.«
    Marianne sprach nie m it Anni, wenn es sich irgendwie ver m eiden ließ, und Carla blieb der Mund offen. Anni wirkte ähnlich überrascht und m it einem mal sehr unsicher.
    »Aber ja, komm doch h e rein.«
    Es war Marianne nicht leichtgefall e n, zu der dritten Frau ihres Vaters zu gehen. Sie haßte Anni nicht, wie sie früher Angharad gehaßt hatte, aber sie e m pfand das Mädch e n, das jünger war als sie selbst, als eine durch und durch vulgäre Parasitin. Außerdem mußte ihre Frivolität einen schlechten Einfluß auf Carla haben, eine Befürchtung, die sich bestätigte, als sie C a rla im Schneidersitz auf dem Boden vor dem Garderobentisch sit z en sah. Das Kind trug m indestens vier Ketten um den Hals und sah m it all der Sch m inke im Gesicht aus wie ei n e Miniaturausgabe ihrer Mutter. Ma rianne biß s i ch verwirrt auf die Lippen. Sie war i m m er

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